Expektoranzien

Entwarnung für Ambroxol

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Berlin -

Ambroxol bleibt sicher: Die EU-Kommission bescheinigt dem Schleimlöser ebenso wie Bromhexin weiterhin ein positives Nutzen/Risiko-Profil. Die Hersteller der Erkältungsmittel müssen allerdings das Allergierisiko als mögliche Nebenwirkung in die Produktinformationen aufnehmen. Zulassungsbeschränkungen wird es aber nicht geben: Die Erkältungsmittel sind weiterhin in allen Indikationen und für alle Altersgruppen verfügbar. Die Entscheidung gilt EU-weit. 

Die belgische Arzneimittelbehörde AFMPS hatte 2014 die Prüfung gefordert, weil zunehmend allergische Reaktionen auf die beiden Schleimlöser beobachtet worden waren. Insgesamt hatte es laut AFMPS europaweit 1200 Meldungen zu Überempfindlichkeitsreaktionen gegeben, 40 Prozent davon allein zwischen 2012 und 2014. Vor allem beim Einsatz bei Kindern unter sechs Jahren seien die Risiken womöglich größer als der Nutzen, hieß es.

In einigen Fällen waren auch allergische Reaktionen in Zusammenhang mit Bromhexin aufgetreten, daher war die Prüfung auf den Stoff ausgeweitet worden. Bromhexin wird im Körper hauptsächlich in Ambroxol umgewandelt.

Im Februar 2015 hatte zunächst die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nach einer Anhörung des Originalherstelllers Boehringer Ingelheim (Mucosolvan) die Empfehlung ausgesprochen, die zusätzlichen Hinweise aufzunehmen. Für eine Änderung der Indikationsstellung oder eine Altersgruppenbeschränkung gebe es allerdings keinen Grund, so der zuständige Ausschuss der EMA. Das Risiko für allergische Reaktionen sei bekannt und gering.

Dieser Empfehlung folgte jetzt die EU-Kommission. Die betroffenen Hersteller haben nun sechs Monate Zeit, Ihre Produktinformationen anzupassen. In den Gebrauchsinformationen muss zukünftig auf ein geringes Risiko für Allergien und Hautreaktionen hingewiesen werden. Für Fachkreise werden spezifischer seltene anaphylaktische Reaktionen und Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson Syndrom genannt. Patienten sollen ausdrücklich auf die Risiken aufmerksam gemacht werden.

Nach Zahlen von Insight Health liegt Ambroxol hinter Xylometazolin auf Platz 2 unter den bei Erkältungskrankheiten eingesetzten Mitteln. 12 Millionen Packungen mit dem Wirkstoff wurden 2012 abgegeben. Boehringer Ingelheim hat mit Mucosolvan mit Abstand die Nase vorn. Der Gesamtumsatz der Präparate mit dem Hustenlöser lag bei mehr als 72 Millionen Euro. Seit einigen Jahren wird der Wirkstoff auch als Lutschtablette gegen Halsschmerzen eingesetzt.

Die EMA hatte in den letzten Jahren bei mehreren etablierten Wirkstoffen für Rückrufe und Indikationseinschränkungen gesorgt: 2014 verschwanden zahlreiche Präparate mit mehr als 1 mg/ml Metoclopramid (MCP) vom Markt, im August 2013 alle Tetrazepam-haltigen Arzneimittel.

Wegen des Fibrose- und Ergotismusrisikos dürfen Präparate mit Dihydroergotamin seit Februar 2014 nicht mehr zur Prophylaxe von Migränekopfschmerz, bei orthostatischer Hypotonie und zur symptomatischen Behandlung bei venös-lymphatischer Insuffizienz verschrieben werden. In Deutschland wurde der Wirkstoff bis dahin nur in diesen Indikationen eingesetzt.

Einschränkungen gab es auch bei Methylsergid, Domperidon, Ivabradin und Bromocriptin. Auch für das Antihistaminikum Hydroxyzin, das in Produkten wie Atarax und AH3 bei Angstzuständen und gegen Juckreiz eingesetzt wird, müssen neue Warnhinweise aufgenommen werden. Der Wirkstoff steht im Verdacht, die Erregungsleitung am Herzen zu beeinflussen und dadurch Arrhythmien auszulösen.

Kritiker wie der ehemalige Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Professor Dr. Harald Schweim, werfen der EMA vor, alte Wirkstoffe nicht erfahrungsadäquat zu betrachten. Außerdem dürften Behörden eine Nutzen/Risiko-Prüfung veranlassen, in denen die betroffenen Wirkstoffe gar nicht auf dem Markt seien – wie bei Tetrazepam.

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