Großhandelskonditionen

Schlammschlacht im Skonto-Streit

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Berlin -

Im beschaulichen Bamberg geht es morgen um nicht weniger als die Zukunft der Einkaufskonditionen der Apotheker: Das Oberlandesgericht (OLG) verhandelt in zweiter Instanz den Skonto-Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und AEP. Die erste Runde vor dem Landgericht Aschaffenburg (LG) hat der Großhändler gewonnen. Es geht um viel – und der Ton zwischen den Parteien wird rauer. AEP beschuldigt die anderen Großhändler, das Verfahren initiiert zu haben. Die Wettbewerbszentrale bezeichnet das als frei erfunden.

Gestritten wird formal um die einheitlichen und öffentlich bekannten Konditionen von AEP. Der Großhändler gewährt Apotheken auf verschreibungspflichtige Arzneimittel 3 Prozent Rabatt und zusätzlich 2,5 Prozent Skonto, wenn sie pünktlich bezahlen. Bei Rx-Arzneimitteln ab 70 Euro gibt es noch 2 Prozent Rabatt plus Skonto. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale sind diese Konditionen unzulässig. Nach ihrer Auffassung dürfen Großhändler maximal 3,15 Prozent Rabatt geben – das entspricht dem variablen Teil ihrer Vergütung. Skonti seien dabei Rabatten gleichzusetzen.

AEP wurde im Dezember 2014 abgemahnt und Mitte März 2015 verklagt. Ende August 2015 traf man sich erstmals vor Gericht in Aschaffenburg. Am 22. Oktober erklärte das LG in seinem Urteil sinngemäß, Skonto sei kein Rabatt und die Großhandelsmarge könne theoretisch komplett an die Apotheken weitergegeben werden. Die Wettbewerbszentrale ist dagegen in Berufung gegangen. Beide Seiten wollen den Streit notfalls bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) bringen.

Mit der Skonto-Frage haben sich mittlerweile zahlreiche Arzneimittelrechtler befasst. Es gibt keine einheitliche Linie, was arzneimittelpreisrechtlich unbedenklich ist und ab wann Skonti als versteckte Rabatte zu werten sind. Mal wird die Branchenüblichkeit als Referenz genommen, mal das aktuelle Zinsniveau als Gradmesser herangezogen. Die harte Position der Wettbewerbszentrale, dass jeder Skonto ein Rabatt ist, vertreten die meisten Rechtsexperten nicht.

Gestritten wird auch über die Rabattierbarkeit der 70 Cent aus der Großhandelsvergütung. Das LG war AEP in der Argumentation gefolgt, die Großhändler dürften grundsätzlich auch ihre Fixpauschale als Rabatt an die Apotheken weitergeben. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale dürfen sie dagegen keinesfalls auf den festen Bestandteil ihres Honorars verzichten. Der Gesetzgeber habe das Fixum mit dem Ziel eingeführt, eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Diese wäre aber gefährdet, wenn es einen Verdrängungswettbewerb unter den Großhändlern gäbe.

AEP legt die Vorschrift anders aus. Das Fixum sei in der Tat mit der flächendeckenden Versorgung begründet. Das sei aber der Umstellung des Honorars geschuldet. Ohne die 70 Cent wäre die Vergütung bei sehr günstigen Generika ansonsten generell nicht ausreichend – der prozentuale Zuschlag müsste dann deutlich höher sein. Dass der Großhändler diese Vergütung aber in Anspruch nehmen müsse, stehe nirgendwo geschrieben.

Dies wird von Experten mit Verweis auf die Gesetzesbegründung allerdings bestritten. Auch die Wettbewerbszentrale weist darauf hin, dass die Großhändler gemäß der AEP-Auslegung des Gesetzestextes sogar darauf verzichten könnten, die Mehrwertsteuer zu erheben. Das sei offensichtlich nicht möglich.

Offener wird in der Diskussion die Frage eingeschätzt, ob Großhändler zusätzlich zu Rabatten aus ihrer variablen Vergütung von 3,15 Prozent Skonto gewähren dürfen. AEP unterstreicht, dass es sich beim Skonto um eine Gegenleistung handele. Die Großhändler profitierten nämlich selbst von der vorfristigen Zahlung ihrer Kunden, sei es bei der eigenen Liquidität oder einem geringeren Risiko von Zahlungsausfällen.

AEP fühlt sich wegen der strengen Auslegung der Wettbewerbszentrale sogar in den Grundrechten verletzt. Denn Konkurrenten gewährten ihren Kunden andere geldwerte Vorteile wie Genossenschaftsanteile samt Dividende, Schulungen, Warenkredite oder kostenlose Beratungsleistungen bis hin zu Teilnahmen an Reisen und Kongressen. AEP kritisiert, dass die Wettbewerbszentrale nicht auch dagegen vorgeht, obwohl man im Verfahren zahlreiche Angebote der Konkurrenz vorgelegt habe.

Die Wettbewerbszentrale weist auf ihr Recht hin, einen bestimmten Wettbewerber herauszupicken, um eine Rechtsfrage zu klären. Dass man nach der Schlappe in erster Instanz keine weiteren Abmahnungen ausgesprochen habe, müsse doch immerhin nachvollziehbar sein. Dass Skonti in der Branche üblich seien, bestreitet die Wettbewerbszentrale vorsichtshalber.

Doch bei AEP ist man mittlerweile fest von der eigenen Opferrolle überzeugt: Die anderen Großhändler sollen demnach das Verfahren geplant und initiiert haben. Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper wird direkt der Mitwirkung beschuldigt. Und den Arzneimittelrechtlern Dr. Elmar Mand und Peter von Czettritz wirft AEP vor, Auftragsarbeiten zum Thema Skonto geschrieben zu haben, um die Debatte überhaupt erst in Gang zu bringen.

AEP findet daher das gesamte Vorgehen der Wettbewerbszentrale rechtsmissbräuchlich. In Aschaffenburg war AEP vor Gericht mit diesem Ansinnen gescheitert. Auch in Bad Homburg weist man die Vorwürfe zurück, dass der Phagro das Verfahren angestoßen habe und die Kosten dafür übernehme. Das seien frei erfundene Behauptungen.

Ob sich das OLG morgen mit dieser Frage eingehender befassen wird, bleibt abzuwarten. Die Vorsitzende Richterin der ersten Instanz hatte jedenfalls wenig Interesse gezeigt, sich mit den Scharmützeln innerhalb der Branche abzugeben. Die Klagebefugnis der Wettbewerbszentrale wurde nicht weiter hinterfragt. Wenn die Kollegen in Bamberg dies ebenso bewerten, kann weiter über Rabatte und Skonti gestritten werden.

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