Rund 6000 Videosprechstunden führt der Telemedizinanbieter Teleclinic pro Monat durch. Damit ist die Kapazitätsgrenze offenbar erreicht. Derzeit sucht Teleclinic via Facebook-Werbung bundesweit Ärzte im Nebenerwerb. 20 Euro pro Videokonsultation verspricht die Teleclinic – bis zu 3000 Euro pro Monat seien als Nebenverdienst möglich. Ob niedergelassene Ärzte darauf anspringen, bleibt abzuwarten. Immerhin gehören sie auch so schon zu den bestverdienenden Berufsgruppen.
„Attraktiver Verdienst, flexible Arbeitszeiten und optimale Prozesse“, so wirbt Teleclinic auf Facebook im Stil von Zeitarbeit-Anzeigen um Ärzte. Teleclinic vermittelte monatlich telemedizinische Anfragen von tausenden Patienten aus ganz Deutschland – unkompliziert per Videosprechstunde: „Sie entscheiden, welche Patienten Sie behandeln.“ Ärzte könnten unbegrenzt Videosprechstunden mit Patienten durchführen. Bei 50 Behandlungen von GKV-Patienten im Quartal stünden den Ärzten „durch unsere Zertifizierung bis zu 710 Euro an extrabudgetärer Förderungen pro Quartal zu“.
Interessenten könnten zusätzliche Patienten aus ganz Deutschland behandeln, zum Beispiel „zum Ausnutzen Ihres Zeitprofils und Steigerung Ihres Regelleistungsvolumens“. Teleclinic: „Steigern Sie Ihre Effizienz durch reibungslose Telemedizin, zum Beispiel wenn in Ihrer Praxis ein Termin ausfällt“, versucht Teleclinic nicht ausgelastete Ärzte zu ködern: „Verdienen Sie circa 20 Euro extrabudgetär pro Behandlung und behandeln Sie zusätzlich Privat-, Selektiv-, Selbstzahler-Patienten, wann und wie Sie wollen.“ Die 20 Euro Honorar zahlt Teleclinic nach Abzug einer „netto Teleclinic-Servicegebühr“.
Alles soll ganz einfach ablaufen, verspricht das Unternehmen, das wie DocMorris zu Zur Rose gehört: „Starten Sie innerhalb von maximal 2h Ihre digitale Praxis mit TeleClinic – für diese Zeit erhalten Sie 120 Euro brutto. Testen Sie Teleclinic unkompliziert und kostenfrei für 30 Tage ab Registrierung. Auch danach entstehen keine Fixkosten oder Verpflichtungen. Behandeln Sie flexibel oder in festen Schichten und erhalten Sie eine garantierte Mindestvergütung, auch wenn Patienten unentschuldigt fehlen.“
Teleclinic sei für Ärzte ein „erfahrener Partner“, preist sich die Firma an: „Bauen Sie auf unsere langjährige Erfahrung und führende Rolle in der Telemedizin. Teleclinics medizinisches Fachpersonal triagiert und sorgt für Ihr reibungsloses Arbeiten durch Vorqualifizierung der Fälle. Ihr persönlicher Abrechnungsexperte berät Sie gerne, wie Sie Teleclinic optimal für Ihren Praxisalltag einsetzen.“ Bemerkenswert ist, dass Teleclinic in diesem Zusammenhang in ihrer Werbebotschaft das Verb „triagieren“ benutzt. Derzeit wird der Begriff vor allem im Corona-Kontext verwendet und bedeute die Auswahl von Patienten bei Großschadensereignissen zur Versorgung und zum Abtransport nach Verletzungsgrad.
Nach eigenen Angaben arbeitet Teleclinic aktuell mit über 250 Ärzten zusammen. Die Werbemaßnahmen seien insgesamt „sehr erfolgreich“, so Firmenchefin Katharina Jünger. Wie viele Ärzte via Facebook für eine Zusammenarbeit gewonnen werden konnten, konnte Jünger nicht sagen.
Im Sommer hatte Zur Rose Teleclinic für 40 Millionen Euro erworben. Zuvor hatte sich Teleclinic aus den – eher halbherzig betriebenen – Projekten mit Ärzten und Apothekern zurückgezogen. 2015 gegründet, habe sich Teleclinic in kurzer Zeit als führender Anbieter von telemedizinischen Dienstleistungen – einschließlich digitaler Rezepte und Krankheitsbescheinigungen – etabliert, so Zur Rose. Die „beeindruckenden operativen Kennzahlen und das Wachstum“ unterstrichen das enorme Potenzial von Fernbehandlungen und von digitalen medizinischen Dienstleistungen. Deren Akzeptanz und Durchdringung werde aufgrund der mit Covid-19 verbundenen Abstandsregeln rasch zunehmen.
Zur Rose rechnet damit, dass bei der Hälfte der über die Plattform durchgeführten Konsultationen E-Rezepte ausgestellt werden – ein „hochkomplementärer Aspekt der Akquisition“, der das E-Commerce- und Marktplatz-Geschäft der Gruppe unterstütze. Durch die Bündelung der Kompetenzen baue man die Führungsrolle als Systemanbieter für E-Rezept-Lösungen in Deutschland aus. Konsequent treibe man nun gemeinsam die digitale Transformation der Branche voran.
Für Zur Rose stelle Teleclinic entsprechend einen strategisch wichtigen Baustein im eigenen „Gesundheitsökosystem“ dar, das durch den Kauf um telemedizinische Dienstleistungen erweitert werde. Telemedizin sei eine entscheidende, bequeme Lösung entlang der digitalen Gesundheitsreise des Patienten sowohl bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen. Angesichts von mittlerweile mehr als 9 Millionen Kunden sieht Zur Rose beträchtliches Potenzial für die Skalierung des Geschäfts von Teleclinic.
„Als größte E-Commerce-Apotheke auf dem Weg zum Gesundheitsökosystem Europas sehen wir unsere Aufgabe darin, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Gesundheit zu managen“, so CEO Walter Oberhänsli. „Mit Teleclinic als integriertem Akteur in der Zur-Rose-Gesundheitsplattform werden wir, zusätzlich zum Medikations- und Apotheken-Produktportfolio, digitale Lösungen anbieten können, die den Patientinnen und Patienten ein besseres Leben ermöglichen.“
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