Spanien

Apotheker darf „Pille danach“ verweigern

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Berlin -

Weil Mitarbeiter einer spanischen Apotheke die Abgabe der „Pille danach“ und den Verkauf von Kondomen verweigerten, hatten die andalusischen Gesundheitsbehörden im Jahr 2008 eine Geldstrafe verhängt. Das Verfassungsgericht revidierte diese Entscheidung nun: Man könne nicht darüber verfügen, welcher Teil des Gewissens von der Verfassung geschützt sei.

In Spanien ist die „Pille danach“ schon länger rezeptfrei erhältlich. Apotheken sind zur Abgabe aber verpflichtet. Doch ein Apotheker aus Sevilla ignorierte aus Gewissensgründen den Kontrahierungszwang und sollte 3000 Euro Bußgeld zahlen. Die Strafe wurde im Revisionsverfahren aufgehoben: Das Recht der Pharmazeuten auf „ideologische Freiheit“ werde ansonsten eingeschränkt, heißt es.

Die Apotheke sei für ihre Hardliner-Position bekannt, wenn die religiöse Überzeugung der Inhaber berührt sei. Da die Apotheker offenbar Parallelen zwischen der Einnahme der „Pille danach“ und einer Abtreibung gezogen hatten, zeigte das Gericht Verständnis für den Gewissenskonflikt.

Die gesetzlich verpflichtende Abgabe kollidiere mit der Einstellung des Apothekers bezüglich des Rechts auf Leben, urteilten die Richter. Der Argumentation folgend, hielten sie aber das Bußgeld für die Verweigerung der Abgabe von Kondomen aufrecht. Hier könne man „keinen ideologischen Konflikt von verfassungsrechtlicher Relevanz“ erkennen.

Die Entscheidung sei knapp gewesen, einige der Richter unterstützten den finalen Urteilsspruch nicht. Der Vorsitzende Richter Andres Ollero räumte ein, es handele sich um eine Grauzone. Er und seine Kollegen könnten aber nicht die „geistlichen Führer von Bürgern sein und darüber entscheiden, welche ihrer Gewissensangelegenheiten durch ihre Grundrechte geschützt seien und welche sie verwerfen sollten“.

Richterin Adela Asua hatte anders gestimmt. Anstatt den Glauben zu schützen, sei die Entscheidung des Gerichts selbst aus einer Ideologie erwachsen, kritisierte sie. Sie warnte außerdem davor, dass der Prozess einen Präzedenzfall schaffen könnte, der „unheilvolle Konsequenzen für das Land und das Zusammenleben“ bedeute.

Auch in Deutschland wurde mit dem OTC-Switch über eine Pflicht zur Abgabe von Notfallkontrazeptiva diskutiert. Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sieht einen Kontrahierungszwang ausdrücklich nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel und verordnete OTC-Arzneimittel vor. Darin heißt es: „Verschreibungen von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind, sind in einer der Verschreibung angemessenen Zeit auszuführen.“ Die Abgabe der „Pille danach“ auf Rezept an unter 20-Jährige ist daher verpflichtend.

Für OTC-Arzneimittel gibt es keine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die Abgabe kann laut ApBetrO bei Missbrauchsverdacht verweigert werden. Der Kontrahierungszwang wird aber grundsätzlich aus der Apothekenpflicht abgeleitet.

In der Kommentierung zur ApBetrO wird eine Abgabepflicht im Notdienst daher auch für OTC eindeutig erkannt. Ob diese Pflicht auch zu den normalen Öffnungszeiten besteht, ist dagegen umstritten. Je nach Bundesland und den entsprechend zuständigen Aufsichtsbehörden müssen Apotheker aber mit Schwierigkeiten rechnen, wenn sie die Abgabe ohne ersichtlichen Grund verweigern.

Ein Apotheker kann pharmazeutische Bedenken gegen eine Abgabe geltend machen, sofern sich diese begründen lassen. Ethische, moralische oder religiöse Bedenken fallen nicht in diese Kategorie. Gemäß der Güterabwägung kommt es auf den Einzelfall an: Hat die Patientin Alternativen? Tagsüber in einer Großstadt ist mehr möglich als im Notdienst in der einzigen Apotheke eines entlegenen Dörfchens.

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