„Angepasste Impfkampagne“ im Herbst

Impfen ohne Impfzentren: Was kommt auf die Apotheken zu?

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Berlin -

Mit einer „angepassten Impfkampagne“ will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in den Herbst gehen. Was das heißt – unklar. Die Impfzentren, die bislang die Hälfte aller Impfungen verabreicht haben, sind vielerorts geschlossen. Einige Bundesländer wollen auch im Herbst darauf verzichten und lieber auf die etablierten Strukturen in Arztpraxen und Apotheken setzen. Ein Überblick.

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Berlin: Impfen im Einkaufszentrum

In Berlin gab es ursprünglich sechs Impfzentren. An keinem der ursprünglichen Standorte wird noch geimpft, dafür aber in einem Einkaufszentrum. „Im Land Berlin wird derzeit noch ein Corona-Impfzentrum betrieben“, teilt ein Sprecher des Senats mit. Am Standort im Ringcenter war es vor Weihnachten zu langen Warteschlangen gekommen, teilweise musste sich Interessenten sechs Stunden gedulden, bis sie für ihren Booster an der Reihe waren. Außerdem gibt es in Berlin zwölf mobile Impfteams, eins pro Bezirk.

Die Impfzentren in einer Eissporthalle, einer Veranstaltungshalle, der Messe oder auch dem ehemaligen Flughafen Tegel waren riesig und erforderten einen großen Personaleinsatz. Derzeit ist eine Betreibergesellschaft im Auftrag für das Land Berlin für das Impfzentrum und die mobilen Impfteams zuständig. „Sie wird dabei von den Berliner Hilfsorganisationen unterstützt.“

Eine Reaktivierung der Impfzentren im Herbst wird nur in Betracht gezogen, wenn es wirklich notwendig wird: „Die Konzeption einer staatlichen Impfkampagne im Herbst 2022 richtet sich nach der jeweiligen epidemiologischen Entwicklung und der Erforderlichkeit der Impfungen. Dabei wird insbesondere auch die Rolle der niedergelassenen Haus- und Facharztpraxen sowie betriebsärztlichen Dienste berücksichtigt.

Die vom Expertenrat der Bundesregierung vorgeschlagene Strategie, auch die Corona-Tests in Impfzentren durchzuführen, lehnt der Senat ab: „Die Impfinfrastruktur und die Impfprozesse der Berliner Corona-Impfzentren sehen die zeitgleiche Nutzung eines Corona-Impfzentrums und Corona-Testzentrums aufgrund der Schutz- und Hygienekonzepte derzeit nicht vor.“ Ohnehin wäre es den Menschen wohl kaum zuzumuten, nach der großen Anzahl an Teststellen in den vergangenen Monaten künftig 30 Minuten Anfahrt ins nächste Impf- beziehungsweise Testzentrum auf sich nehmen.

NRW: Von 53 auf 0 mit Vorhaltestrukturen

„In der ersten Phase der Impfungen gegen das Coronavirus wurde ein Impfzentrum je Kreis beziehungsweise kreisfreier Stadt eingerichtet. Insgesamt gab es damit 53 Impfzentren in Nordrhein-Westfalen. Mit Ablauf des 30. September 2021 haben die Impfzentren ihren Betrieb eingestellt“, erläutert ein Sprecher des Landesgesundheitsministerium. „Seit dem 1. Oktober wird das Impfgeschehen in Nordrhein-Westfalen im Schwerpunkt durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie eine Vielzahl an kommunalen Impfangeboten fortgeführt. Dies ermöglicht eine flexible Steuerung des lokalen kommunalen Impfgeschehens, orientiert an der Nachfrage und am Bedarf, und umfasst auch verschiedene Möglichkeiten, weitere Leistungserbringer einzubinden oder zu beauftragen.“ Dazu gebe es in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt eine sogenannte „Koordinierende Covid-Impfeinheit (KoCi)“, die die kommunalen Impfangebote organisiert und koordiniert. Die Kommunen setzen dabei sowohl auf stationäre „Impfstellen“, in denen man mit und ohne Termin Impfangebote wahrnehmen kann, als auch auf mobile und kreative Impfangebote.

Obwohl es also gar kein aktives Impfzentren gibt, sei eine großflächige Impfkampagne ab Herbst kein Problem: „Nordrhein-Westfalen hat bereits die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um im Herbst im Bedarfsfall das öffentliche Impfgeschehen kurzfristig wieder deutlich hochfahren zu können. So wurden in allen Kreisen und kreisfreien Städten Vorhaltestrukturen geschaffen, die innerhalb von 14 Tagen in der Lage sind, wöchentlich mindestens 250.000 Impfungen durchzuführen – ergänzend zum Angebot in Arztpraxen und bei Betriebsärztinnen und -ärzten.“

Was das Testen in Impfzentren angeht, seien noch zu viele Fragen offen, um konkret zu werden: „Wenn die Anregung des Expertenrates, Impfzentren möglicherweise auch für die Testungen zu nutzen, umgesetzt werden soll, müssten diese je nach Organisationsform nach geltender Rechtslage eine eigene Beauftragung hierfür bekommen. Die geltende Rechtslage für die Teststruktur (Testverordnung des Bundes) gilt aber nur noch bis zum 30. Juni. Dem Ministerium liegen noch keine Kenntnisse darüber vor, ob und wie der Bund mit Testungen über den 30. Juni hinaus plant.“

Bremen: Eigenes Kinder-Impfzentrum

Im Stadtstaat gibt es aktuell noch aktive Impfzentren. Bremen ist mit einer Grundimmunisierungsquote von über 87 Prozent auf Platz 1 der Bundesländer. Bereits 10 Prozent haben die zweite Auffrischimpfung erhalten. „Im Land Bremen gibt es aktuell noch zwei Impfzentren, ein Kinder-Impfzentrum sowie zwei Impfstellen. Hinzu kommen Impfbusse, Impftrucks und mobile Teams“, teilt ein Sprecher des Senats für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz mit. „Zu Beginn der Impfkampagne gab es zwei Impfzentren und die mobilen Teams. In der Hochphase gab es zwei Impfzentren, das Kinder-Impfzentrum und vier Impfstellen, zusätzlich die mobilen Angebote.“ Mit Blick auf den Herbst ist sich der Senat sicher: „Wir haben die Möglichkeit, die Kapazitäten in unseren bisherigen Strukturen wieder zu erhöhen, und gehen deswegen davon aus, dass weitere Angebote nicht eröffnet werden müssten.“

In Sachen Personal arbeitet Bremen mit verschiedenen Hilfsorganisationen zusammen, die die Personalsuche übernehmen und das Mitarbeiter:innen einstellen, unter anderem mit dem Deutschen Roten Kreuz, der Johanniter-Unfall-Hilfe, dem Arbeiter Samariter Bund, dem Malteser Hilfsdienst und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Die Nutzung der Impfzentren als Testzentren sei theoretisch möglich. Ob es Beförderungsgutscheine oder zusätzliche Buslinien geben wird, steht aktuell nicht fest. Bislang sei in diese Richtung nichts geplant worden.

Niedersachsen: Ausstattung eingelagert

Auch in Niedersachsen gibt es aktuell Impfzentren mehr. „Die Impfzentren sind in Niedersachsen zum 30. September 2021 geschlossen worden. Insgesamt gab es 50 kommunale Impfzentren in Niedersachsen. Seit dem 1. Oktober ist die Corona-Schutzimpfung (wie alle Schutzimpfungen) Kerngeschäft der Regelversorgung, also der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Daneben sind landesweit mobile Impfteams der Kommunen im Einsatz“, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit. Sollten die Impfzentren rasch wieder eröffnet werden müssen, könne dies in eingeschränktem Maße passieren: „Die Ausstattung von acht Impfzentren wurde zentral eingelagert, um sie im Bedarfsfall rasch wieder errichten zu können. Die Ausrüstung setzt sich aus der Ausstattung mehrerer Impfzentren zusammen.“

Wie viele ehemalige Impfzentren sollen im Herbst wieder öffnen? „Keine. Denn wir haben mit den niedergelassenen Praxen, unseren Impfteams in den Kommunen sowie den Apotheken, die inzwischen impfen dürfen, ein gutes Netz von Impfmöglichkeiten geschaffen. Im November und Dezember 2021 haben wir in Niedersachsen in kürzester Zeit über drei Millionen Impfungen vorgenommen. Diese Impfleistung stünde auch im Fall der Fälle im Herbst 2022 zur Verfügung. Die Wiedereröffnung der großen Impfzentren ist derzeit nicht geplant.“

Die Eingliederung der Testinfrastruktur in die Impfstruktur sieht Niedersachsen kritisch: „Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag des von der Bundesregierung eingesetzten Expert:innenrates. Es bleibt zunächst abzuwarten, wie die Bundesregierung diese Maßnahme bewertet. Ansonsten sehen wir den Bund in der Pflicht, die bestehende Testinfrastruktur für Bürgertests, die sich bewährt hat, aufrecht zu erhalten.“ Zusätzliche Beförderungsmaßnahmen stehen ebenso nicht auf der Agenda, die Verantwortung wird auf den Bund übertragen: „Inwieweit der Bund so etwas vorsieht, ist derzeit nicht bekannt.“

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