20 Jahre nach der Gründung hat Claus Reich seine Apotheke im Hauptbahnhof in Nürnberg geschlossen. Die Lockdowns und die weiterhin ausbleibende Kundschaft trieben den Apotheker in die Insolvenz. Lange hoffte er, die Kundschaft komme zurück, doch die Frequenz erreichte auch zuletzt nicht das Vor-Pandemie-Niveau.
Reich sitzt alleine in seiner Apotheke. „Ich bin mit der Auflösung und Abwicklung beschäftigt“, sagt er. „Bis zum Warenlager bin ich noch nicht vorgedrungen.“ Im April meldete er Insolvenz an. Seitdem wacht ein Insolvenzverwalter über sein Privatvermögen, da er als selbstständiger Kaufmann selbst für seinen Betrieb haftet. In den kommenden Jahren werde er damit beschäftigt sein, die Verbindlichkeiten abzutragen, sagt er. Die Schulden lägen „deutlich“ im sechsstelligen Bereich.
Ein Verkauf der Apotheke kam nicht in Frage. „Ich habe im Umkreis gefragt, ob jemand die Apotheke übernehmen will. Da war Schweigen im Walde“, so Reich. Auch der Weiterbetrieb der Apotheke in Eigenverwaltung ist keine Option. Denn die Stammkundschaft kam trotz der Lockerungen der vergangenen Wochen einfach nicht so zurück, wie sie vor der Pandemie da gewesen sei. „Die Apotheke hat 18 Jahre gut funktioniert – mit Corona dann nicht mehr.“ Die Schließung sei „für einen selbstständigen Apotheker besonders bitter, da der Betrieb auch als Altersvorsorge gedacht war“.
Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 begann für Reich die Abwärtsspirale. „Die Frequenz ist schlagartig zurückgegangen“, sagt er. „In den schlimmsten Phasen hatten wir weniger als 50 Prozent der Kundschaft.“ Zuerst wolle man diese Entwicklung nicht wahrhaben. „Als Bahnhofs-Apotheker lebt man weniger von den Reisenden als von den Berufspendlern, die um Nürnberg herum wohnen und die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Für sie waren wir die Apotheke der Wahl, weil wir von 6 bis 20 Uhr geöffnet hatten.“
Doch mit den Lockdowns und dem Arbeiten im Homeoffice brach diese Stammkundschaft weg. „Zuerst wollte man es nicht wahrhaben und hoffte, dass die Pandemie bald vorbei ist“, erinnert sich Reich. Er habe sich mit seinem Steuerberater ausgetauscht und beide gingen davon aus, dass die Umsätze zurückkehrten. „Man beißt die Zähne zusammen. Beim zweiten und dritten Lockdown wurde es dann knapp.“ Die sechs Angestellten seien in Kurzarbeit geschickt worden. „Irgendwann ist das letzte Regal abgestaubt und der letzte Mindesthaltbarkeitswert kontrolliert.“
Die Coronasoforthilfen seien nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ gewesen. „Das hat letztlich nicht ausgereicht.“ An eine drohende Zahlungsunfähigkeit habe er als eingetragener Kaufmann schnell gedacht. Nach Rücksprache mit dem Steuerberater sei er jedoch immer wieder zum Entschluss gekommen, dass Umsätze vorhanden seien. „Es ist eine Glaubensfrage. Ich hatte Ratgeber, die gesagt haben, ich soll weiter machen.“ Doch auch bei den jüngsten Lockerungen sei die Frequenz nicht in dem erforderlichen Maße zurückgekehrt. „Ohne Einschränkungen liegt sie bestenfalls bei 70 Prozent der Vor-Coronajahre.“
Leichtfertig habe er die Apotheke nicht aufgegeben: „Da stecken 20 Jahre Lebenszeit drin.“ Auch andere Geschäfte im Bahnhof klagten über fehlende Kundschaft. Und auch weitere Bahnhofs-Apotheken spürten die Corona-Maßnahmen deutlich. „Ich stehe nicht alleine da. Da werden noch weitere Apotheken folgen.“ Die Hoffnung auf eine Änderung sei immer vorhanden gewesen. „Für meine Mitarbeiter war es extrem bitter. Sie waren gerne hier. Glücklicherweise musste keiner in die Arbeitslosigkeit.“ Für Reich steht fest, dass er sich nicht nochmals selbstständig machen werde. „Als angestellter Apotheker würde ich schon gerne weiterarbeiten.“
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