Abmahnungen

„Der e.K. ist nicht entscheidend“

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Berlin -

Massenabmahnungen in der Vorweihnachtszeit kennen Anwälte. Dass aber ein Apotheker tausende Kollegen wegen vermeintlicher Verstöße angeht, hat eine neue Qualität. Die Düsseldorfer Kanzlei Terhaag & Partner vertritt in der Sache ebenfalls mehrere Apotheker. Rechtsanwalt Dr. Volker Hermann sprach mit APOTHEKE ADHOC über die erhobenen Vorwürfe, Haftungsfragen und die Bedeutung des „e.K.“.

ADHOC: Sind die Vorwürfe stichhaltig?
HERRMANN: Fast alle Vorwürfe, die im Zusammenhang mit dem Impressum erhoben werden, sind sehr dünn. Laut Telemediengesetz sind Apotheken verpflichtet, bestimmte Informationen im Impressum bereitzustellen. Als verkammerter Beruf gehört auch der Hinweis auf die zuständige Apothekerkammer dazu. Der Vorwurf, der Apotheker gebe nicht die für ihn geltende Berufshaftpflicht an, ist mehr als fragwürdig.

ADHOC: Wieso?
HERRMANN: Laut der Dienstleistungsverordnung sind bestimmte Berufsgruppen tatsächlich dazu verpflichtet, ihre Berufshaftpflicht anzugeben. Es gibt aber eine Ausnahmevorschrift: Dienstleistungen im Gesundheitssektor und solche im pharmazeutischen Bereich sind ausgenommen. Dazu zählen auch Apotheker.

ADHOC: Und wenn der „e.K.“ fehlt?
HERRMANN: Wenn man eingetragener Kaufmann ist, muss man das auch angeben, inklusive Handelsregisternummer et cetera. Der Gesetzeswortlaut ist aber nicht gleich zu setzen mit der wettbewerbsrechtlichen Relevanz: Sinn und Zweck der Regelung ist, dass es eine ladungsfähige Anschrift gibt. Bei natürlichen Personen gibt es aber dabei keinen Unterschied zwischen Firma und Person. Selbst bei einer GmbH hat das Kammergericht Berlin entschieden, dass es nicht wettbewerbsrelevant ist, wenn nicht alle Geschäftsführer im Impressum aufgeführt sind. Es ist nicht korrekt, kann aber vom Wettbewerb nicht angegriffen werden. So dürfte es auch in unserem Fall liegen.

ADHOC: Sind die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich?
HERRMANN: Der Vorwurf steht im Raum und es spricht vieles dafür. Entscheidend ist dafür vor allem die Zahl der Abmahnungen: Wenn tatsächlich wie berichtet etwa 3000 Apotheken betroffen sein sollten und wir von einer durchschnittlichen Forderungen von 1500 Euro ausgehen, dann ist der Apotheker aus Schwäbisch-Hall ein Kostenrisiko von 4,5 Millionen Euro eingegangen. Wehren sich abgemahnte Apotheker mit negativen Feststellungsklagen, kommt noch das Prozesskostenrisiko hinzu. Das Höhe des Abmahnkostenrisiko sehen Gerichte oft als Indiz für eine Rechtsmissbräuchlichkeit.

ADHOC: Wer haftet für Verstöße: der Apotheker oder der Anbieter der Plattform?
HERRMANN: Das muss man im Einzelfall klären. Ein Anbieter mit Vollservice, der den Eintrag komplett für seine Kunden erstellt, haftet auch, wenn er dafür die rechtliche Gewähr übernommen hat. Anders sieht es aus, wenn der Apotheker die Daten selbst einstellt. In den Vertragsbedingungen werden die Anbieter typischerweise einen Hinweis haben, dass der Kunde für Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten haftet. Vor Gericht ist sowieso zunächst der Abgemahnte verantwortlich, wir reden also eher von der Frage möglicher Regresse.

ADHOC: Wer haftet, wenn nicht verkehrsfähige Produkte im Webshop der Apotheke gelistet sind, nur weil diese im ABDA-Artikelstamm stehen?
HERRMANN: Das ist in der Tat eine Falle für jeden Versandapotheker: Er haftet nach einem aktuellen Urteil für alle Inhalte, hat aber auch die Pflicht zum Vollsortiment und ist damit auf die Datenbank angewiesen. Wir versuchen die Gerichte dahin zu bewegen, den Apotheker in solchen Fällen nur als Störer haften zu lassen. Wenn er auf einen Verstoß hingewiesen wird und diesen daraufhin behebt, wäre er damit frei. Diese gewichtige Frage muss unbedingt höchstrichterlich geklärt werden.

ADHOC: Welche Folgen drohen Ihrem Kollegen?
HERRMANN: Er wird sich vermutlich viele Beschwerden bei der Rechtsanwaltskammer und auch Strafanzeigen einhandeln. Allerdings prüft die Kammer in der Regeln nur schwere standesrechtliche Verstöße wie Verleumdung oder Veruntreuung und verweist bei wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen regelmäßig an die Zivilgerichte.

ADHOC: Also kein Betrug?
HERRMANN: Ich bin da skeptisch. Nehmen Sie zum Beispiel die ungeklärte Frage mit der angeblichen Versandapotheke des Apothekers. Wenn dieser als Mandant gegenüber seinem Anwalt behauptet, er habe eine Versandhandelserlaubnis, darf er das ungeprüft in Abmahnungen verwenden. Der hier abmahnende Anwalt kann auch falsche Rechtsansichten haben, ohne dass dies sofort als strafrechtlicher Betrug gewertet wird.

ADHOC: Was ist mit den Forderungen gegenüber den Apothekern?
HERRMANN: Grenzwertig ist in den Abmahnungen tatsächlich der Gewinnabschöpfungsanspruch. Den haben nach dem Gesetzeswortlaut nur Institutionen wie die Wettbewerbszentrale oder Abmahnvereine, niemals der Wettbewerber. Diese Aussage ist also schlichtweg falsch. Hier wird mit etwas gedroht, was niemals eintreten kann.

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