Silikonskandal

TÜV Rheinland muss nicht haften

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Aix-en-Provence -

Der TÜV zertifizierte den Hersteller PIP, der jahrelang minderwertige Brustimplantate verkaufte. Betroffene werfen ihm daher Schlamperei vor. Doch jetzt gibt auch ein Berufungsgericht in Frankreich den Prüfern recht und weist Schadenersatzansprüche ab.

Der TÜV Rheinland muss im Skandal um minderwertige Brustimplantate in Frankreich doch nicht haften. Ein französisches Berufungsgericht hob am Donnerstag ein Schadenersatz-Urteil gegen das Prüfunternehmen auf. Der TÜV habe seine Verpflichtungen bei der Zertifizierung der Produktion des Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) erfüllt, teilte das Gericht in Aix-en-Provence mit. In erster Instanz war der TÜV Ende 2013 verurteilt worden, mehr als 1600 Frauen jeweils zunächst 3000 Euro Schadenersatz plus Anwaltskosten zu zahlen.

Zwischenzeitlich traten nach Angaben des TÜV weitere Opfer dem Verfahren bei, die Entscheidung bezieht sich daher auf mehr als 3000 Frauen sowie einige Händler. Das Unternehmen sieht sich selbst als Opfer des Betrugs des Herstellers und legte deshalb Berufung ein. Mehrere deutsche und französische Gerichte schlossen sich dieser Einschätzung bereits an.

Der inzwischen insolvente Hersteller PIP hatte etwa zehn Jahre lang billiges Industriesilikon für seine Implantate verwendet. Die reißanfälligen Silikonkissen wurden Schätzungen zufolge weltweit bei Hunderttausenden Frauen eingesetzt. Der TÜV hatte nur Unterlagen und die Qualitätssicherung von PIP überprüft, nicht die Kissen selbst. Auf dieser Grundlage erhielt die Firma das europäische CE-Siegel. Die Klägerinnen warfen den Prüfern deshalb Schlamperei vor.

Die Entscheidung sei ein wichtiger Schritt in den gerichtlichen Auseinandersetzungen um den PIP-Skandal, sagte TÜV-Sprecher Hartmut Müller-Gerbes. Eine Bestätigung der Schadenersatzansprüche hätte den TÜV teuer kommen können. Das ursprüngliche Urteil des Handelsgerichts von Toulon sah nämlich die Möglichkeit vor, je nach Einzelfall auch höhere Ansprüche geltend zu machen als die pauschalen 3000 Euro pro Frau. Klägerinnen forderten ursprünglich jeweils 16.000 Euro.

Die bereits gezahlten 5,8 Millionen Euro könnte der TÜV Rheinland nun zurückfordern ­ob das Unternehmen dies auch macht, wird laut einem Sprecher noch geprüft. Nach Angaben einer Anwältin könnten auch gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts Rechtsmittel eingelegt werden.

Der Skandal um die Brustimplantate war 2010 aufgeflogen. In Deutschland waren schätzungsweise mehr als 5000 Frauen betroffen. Behörden rieten Betroffenen damals, sich die Implantate entfernen zu lassen. Der Gründer der Skandal-Firma, Jean-Claude Mas, wurde im Dezember 2013 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Sein Berufungsprozess soll im November beginnen.

„Der Skandal nimmt kein Ende“, kommentiert die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne) die Entscheidung des französischen Gerichts. Die Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft kritisiert, dass die betroffenen Frauen nun endgültig mit leeren Händen dastehen. Fälle wie diesen gelte es künftig zu verhindern.

Schulz-Asche fordert deshalb eine verpflichtende Produkthaftpflichtversicherung der Hersteller von Medizinprodukten, strengere Zulassungsregelungen für Implantate und Hochrisikomedizinprodukte der Klasse III sowie eine Bewertung der genannten Produkte durch besondere Benannte Stellen.

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