Abmahnungen

Brücken-Apotheker verstorben – die Folgen

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Berlin -

Mehrere tausend Apotheken hatten in der Vorweihnachtszeit Abmahnungen von Apotheker Hartmut Wagner und seinem Anwalt Christoph Becker erhalten. Die mutmaßlich rechtsmissbräuchliche Aktion hat beiden zahlreiche Strafanzeigen sowie Schadenersatzklagen eingebracht. Wagner ist im Mai verstorben. Das hat auch Folgen für die Verfahren gegen Becker.

Die Abmahnwelle kurz vor Weihnachten war Anwälten der betroffenen Apotheker zufolge zwar groß angelegt, aber dennoch sehr schlampig vorbereitet. Nach der ersten Gegenwehr erklärte Becker die Rücknahme aller Abmahnungen. Zwei Tage später wurde die Brücken-Apotheke in Schwäbisch Hall wegen fehlender Liquidität vom Großhändler ausgeräumt und geschlossen.

Bei der Staatsanwaltschaft Leipzig waren zahlreiche Klagen gegen beide Beteiligten eingegangen. Die Vorwürfe reichten von Nötigung, über versuchten Betrug bis zu versuchter Erpressung und Gebührenüberhebung. Bislang hat die Staatsanwaltschaft keine Anklage erhoben. Und strafrechtliche Verfahren werden nach dem Tod des Beschuldigten sofort eingestellt. Die Akte Wagners ist also geschlossen.

Gegen Rechtsanwalt Becker kann grundsätzlich weiter ermittelt werden. Für die strafrechtliche Würdigung wäre allerdings vor allem das Verhältnis der beiden untereinander von Bedeutung. Bei Becker kommt es insbesondere darauf an, ob er über sein Mandat hinaus aktiv geworden ist. In diesem Fall wäre er strafrechtlich zu belangen. Da Becker von den abgemahnten Apothekern regelmäßig bis zu 3000 Euro für die Abmahnung verlangt hatte, hätte Wagner demnach schon bei 1000 erfolglosen Abmahnungen drei Millionen Euro an Becker zahlen müssen. Nebenabreden liegen daher nahe. Auch hier käme es auf den Wortlaut der Übereinkunft zwischen den beiden an.

Ein Staatsanwalt oder Richter hätte Apotheker und Rechtsanwalt womöglich gegeneinander ausspielen können. Doch da Wagner vor seinem Ableben dem Vernehmen nach nicht „ausgepackt“ hat, dürfte es wenig belastendes Material gegen Becker geben. Dieser kann sich nun vermutlich leichter darauf berufen, nur im Auftrag seines Mandanten gehandelt zu haben.

Ein gegenseitiges sich Belasten scheidet nunmehr aus. Über den Stand laufender Ermittlungen kann die Staatsanwaltschaft keine Angaben machen. Ob Becker und Wagner in der Vergangenheit bereits vernommen wurden oder ob sogar Durchsuchungen durchgeführt wurden, ist nicht bekannt. Dies wird erst nach Abschluss der Ermittlungen klar sein, wenn die Antragsteller Akteneinsicht erhalten. Das Verfahren gegen Becker hängt maßgeblich davon ab.

Unabhängig von den Strafanzeigen wollten mehrere Apotheker zivilrechtlich gegen das Duo vorgehen und ihre eigenen Anwaltskosten einfordern. Die Klagen gegen Wagner konnten im Mai jedoch schon nicht mehr zugestellt werden; der Apotheker war wenige Tage zuvor verstorben. Diese Verfahren werden ausgesetzt.

Anders als im Strafrecht können die Ansprüche aber gegen Wagners Rechtsnachfolger geltend gemacht werden. In erster Linie sind dies die Erben des Apothekers. Gegen sie könnte der Prozess fortgesetzt und Geld gefordert werden, nur die Unterlassungsansprüche wären als höchstpersönliche Ansprüche davon ausgenommen – aber auch weniger interessant.

Schlagen die Nachfolger das Erbe aus, geht das Ganze ins Leere und das Verfahren gegen Wagner wäre geplatzt. Da der Apotheker selbst offenbar wirtschaftliche Probleme hatte, darf dies als wahrscheinlichste Variante angesehen werden.

Die Schadenersatzklagen gegen Becker können dagegen abgelöst werden und gegen den Anwalt alleine weiterlaufen. Sollte ein Richter hier zu dem Schluss kommen, dass Becker die Abmahnaktion selbst als offensichtlich rechtsmissbräuchlich hätte erkennen müssen, könnte der Anwalt zur Kasse gebeten werden. Gegen Becker waren außerdem mehrere Beschwerden bei seiner Anwaltskammer eingegangen. Doch die wird voraussichtlich nur aktiv werden, wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich Anklage erhebt.

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