Mitgliederakquise

Kassen-Makler sollen Unterschriften gefälscht haben

, Uhr aktualisiert am 08.04.2016 12:14 Uhr
Berlin -

Krankenkassen konkurrieren vor allem über die Höhe ihres Zusatzbeitrages: Weil viele Versicherte ihre Kasse danach auswählen, ist der Druck auf der Kostenseite so hoch. Doch Wettbewerb gibt es auch bei den Angeboten – nicht immer mit lauteren Mitteln. Die Wettbewerbszentrale hat im ersten Quartal bereits 20 Fälle zu Werbeaktivitäten von Krankenkassen bearbeitet. In einem besonders drastischen Fall sollen Makler einer Kasse die Unterschriften potentieller Neukunden gefälscht haben.

Die Zwischenbilanz der Wettbewerbszentrale: In 14 Fällen wurden Wettbewerbsverstöße beanstandet, die meisten wegen irreführender Werbung oder einer aggressiven geschäftlichen Handlung. In zwei Fällen hat die Wettbewerbszentrale nach eigenen Angaben jeweils Unterlassungsklage erhoben, in einem Fall eine einstweilige Verfügung beantragt. In vier Fällen wurden Hinweise erteilt.

Wie andere Kassen arbeitet die Schwenninger Krankenkasse bei der Versichertenakquise mit Maklern zusammen. Hierzu hat es verschiedene Beschwerden gegeben. Die Betriebskrankenkasse (BKK) hat – so der Vorwurf der Wettbewerbszentrale – nicht nur ungefragt bei Verbrauchern angerufen, um für eine Mitgliedschaft zu werben. Schon das wäre unzulässig. Sie soll auch die Mitgliedschaft gegenüber der bisherigen Krankenkasse ohne Wissen und Wollen der Angerufenen gekündigt haben, heißt es aus Bad Homburg.

Aufgefallen war das laut Bericht der Wettbewerbszentrale, als zahlreiche Versicherte die Kündigungsbestätigungen ihrer bisherigen Krankenkasse erhielten. Demnach hatten sie weder eine Kündigung ausgesprochen, noch stammten die Unterschriften auf den angeblichen Kündigungsschreiben von ihnen. Die Wettbewerbszentrale hat im Februar Klage beim Landgericht (LG) Konstanz gegen die Schwenninger Krankenkasse eingereicht. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht.

Der wiederholt von Betroffenen vorgetragene Vorwurf der Unterschriftenfälschung wiegt sehr schwer. Insofern verweist die Kasse auf das ausstehende Verfahren, in dem es aber ausdrücklich nur um die wettbewerbsrechtliche Klärung geht. Die Kasse arbeitet einem Sprecher zufolge derzeit an ihrer Klageerwiderung. Es könne sich aufgrund der hohen internen Standards allenfalls um Einzelfälle handeln. Derzeit wird bei der Kasse intern ermittelt, um welchen externen Dienstleister es sich handeln könnte.

APOTHEKE ADHOC liegen mehrere eidesstattliche Versicherungen sowie Erklärungen Betroffener vor, in denen diese bestätigen, dass die jeweilige Unterschrift nicht von Ihnen stammt. „Es handelt sich um eine gefälschte Unterschrift“, heißt es etwa in einer Erklärung. Ein anderer Betroffener kündigt an, Strafanzeige gegen die Kasse zu stellen. Auch in den Geschäftsstellen anderer Kassen ist man an dem Fall überaus interessiert.

Die Wettbewerbszentrale ist zudem verschiedentlich gegen Werbemaßnahmen anderer Kassen vorgegangen: Eine AOK versprach etwa „Ab jetzt noch mit mehr Leistungen“ und erwähnte in diesem Zusammenhang die jährliche professionelle Zahnreinigung. Verschwiegen wurde dabei aber, dass die Kosten nur bis zu einer Höhe von 40 Euro übernommen werden, was regelmäßig nicht reicht. Die Kasse gab eine Unterlassungserklärung ab.

Eine andere BKK suggerierte mittels eines Beitragsrechners, sie übernehme die Kosten für Extraleistungen wie homöopathische Arzneimittel in unbegrenzter Höhe. Das stimmte allerdings auch nicht: Die Kosten sind laut Satzung auf 200 Euro pro Kalenderjahr begrenzt. Auch die BKK verpflichtete sich zur Unterlassung.

In einem anderen Fall wird die Wettbewerbszentrale gegen eine AOK Klage einreichen, die mit der Aussage warb, „16 Pluspunkte“ gebe es nur bei ihr. Gemeint waren unter anderem ein Gesundheitsnavigator, erweiterte Haushaltshilfe und Hilfe bei Behandlungsfehlern. Die Wettbewerbszentrale findet auch dies irreführend.

Eine Betriebskrankenkasse „schönte“ den bei Versicherten unbeliebten Zusatzbeitrag und bezeichnete ihn als „Variobeitrag“. Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale lässt dies den Verbraucher im Unklaren über den Charakter des Beitrags. Das LG Frankfurt erließ auf Antrag der Wettbewerbszentrale eine einstweilige Verfügung, mit der der Krankenkasse die weitere Verwendung dieses Begriffes untersagt wurde.

Eine Krankenkasse forderte einen Versicherten nach dessen Kündigung auf, Kontakt mit ihr aufzunehmen, damit man einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbaren könne. Die Kündigungsbestätigung wurde erst auf ausdrückliches Verlangen des Versicherten übermittelt. Diese sei aber zwingend notwendig, um eine Mitgliedschaft in einer anderen Krankenkasse begründen zu können und müsse von Gesetzes wegen innerhalb kurzer Frist ausgestellt werden, moniert die Wettbewerbszentrale. Mit der verzögerten Bestätigung werde der Wechsel des Mitglieds erschwert. Die Kasse gab eine Unterlassungserklärung ab.

„Die Fälle belegen, dass die Selbstkontrolle der Wirtschaft gut funktioniert. Auf alle Verstöße wurde die Wettbewerbszentrale von Krankenkassen, also von der Branche selbst, aufmerksam gemacht“, stellt Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, fest. „Verbrauchern wären die Wettbewerbsverletzungen möglicherweise gar nicht aufgefallen“, so Köber.

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