Einkaufskonditionen

Freibrief für Reimport-Boni

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Berlin -

Das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG) zu den Einkaufskonditionen von AEP ist keine Woche alt, da kann der Reimporteur Eurim einen Erfolg verbuchen: Das Bonusprogramm „EurimSmiles“ wurde vom Landgericht Traunstein (LG) für zulässig erklärt. Die Klage des Wettbewerbsverbands Integritas wurde abgewiesen. In dem Verfahren wurde auch die grundsätzliche Frage berührt, ob Hersteller im Direktvertrieb ganz auf die Großhandelsmarge verzichten dürfen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, das LG selbst hält sich für eine Durchgangsstation.

Bei EurimSmiles erhalten Apotheken für jedes beim Reimporteur bestellte Arzneimittel einen Bonuspunkt, egal ob Rx oder OTC. Der Wert der Punkte erhöht sich mit deren Anzahl, das Direktgeschäft wird besser bewertet als die Bestellung über den Großhandel. Gesammelte Punkte können Apotheker gegen Ware, Geld- oder Sachprämien einlösen. Bei Eintausch gegen Ware gibt es einen Aufschlag von 10 Prozent. Ab 160 gesammelten Punkten gewährt Eurim zudem verschiedene Servicepakete.

Das Bonusprogramm verstößt aus Sicht von Integritas gegen die Preisbindung und das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Eurim beeinfluss die Abgabeentscheidung des Apothekers, so der Vorwurf. Auf die im HWG genannte Geringwertigkeitsschwelle von einem Euro bei Zuwendungen komme es hier nicht an, da es sich um preisgebundene Arzneimittel handele. Die Rabatte überschreiten laut Integritas zudem die zulässige Grenze von 3,15 Prozent des Herstellerabgabepreises. Das ist der variable Teil der Großhandelsmarge, der auch im Direktgeschäft für Rabatte zur Verfügung steht.

Doch das LG Traunstein findet die Klage unbegründet. Das HWG sei nicht berührt, weil Eurim keine bestimmten Arzneimittel bewerbe. Der Reimporteur handele sogar mit wirkstoffgleichen Produkten verschiedener Hersteller. Apotheker könnten nicht unsachlich beeinflusst werden, da sie immer noch eine Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Herstellern hätten. Da Eurim in der Werbung für das Bonusmodell vor allem die eigene Lieferfähigkeit herausstelle, handele es sich zudem um Imagewerbung, nicht um produktbezogene Arzneimittelwerbung.

Auch mit der Höhe der Rabatte hat das Gericht kein Problem. Im Direktgeschäft dürfe Eurim auf die 3,15 Prozent aus der Großhandelsvergütung verzichten. Aus Sicht der Richter dürfen Hersteller sogar auf den Festzuschlag von 70 Cent verzichten. Die Grundsatzfrage, ob das Großhandelsfixum rabattierbar ist, wird derzeit im „Skonto-Prozess“ zwischen der Wettbewerbszentrale und AEP geklärt. Die Sache geht demnächst zum Bundesgerichtshof (BGH).

Die Frage zu den 70 Cent kann laut LG Traunstein aber auch offen bleiben, da Eurim auch mit dem unbestritten rabattierbaren Anteil von 3,15 Prozent hinkomme. Der maximale Gegenwert eines Bonuspunktes liege bei 1,15 Euro. Damit liege der gewährte Rabatt schon ab einem Herstellerabgabepreis von 36,50 Euro unterhalb der Schwelle von 3,15 Prozent.

Integritas hatte selbst Auszüge aus der „Lauer-Taxe“ vorgelegt, um die Preisverstöße zu belegen. Doch die Richter kamen bei der Lektüre zu dem Schluss, dass der überwiegende Teil der 276 aufgeführten Produkte teurer war als 36,50 Euro. Bei mehr als 100 Produkten aus der Liste liege der Preis sogar über 100 Euro, bei immerhin sechs Produkten sogar über 1200 Euro. Eurim gewähre aber immer nur maximal 1,15 Euro. Einkaufsrabatte spielten in dem Verfahren keine Rolle.

Da beim Bonussystem jede Packung gleich vergütet werde, könne ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nicht isoliert am Preis einzelner Produkte festgemacht werden, heißt es in der Urteilsbegründung. Weil aus Sicht des Gerichts auch der Großhandels-Festzuschlag im Direktgeschäft „nicht zwingend sein kann“, sei die Mischkalkulation von Eurim in Ordnung.

Integritas zufolge muss aber auch der Gegenwert der Servicepakete hinzugerechnet und auf die Vergütungsstaffel umgelegt werden. Den Wert schätzte der Wertbewerbsverband auf 50 bis 150 Euro, je nach Größe des Pakets. Eurim hielt das für viel zu hoch gegriffen, veranschlagte selbst Werte zwischen 15 und 45 Euro. Umgelegt auf die jeweilige notwendige Mindestzahl abgegebener Arzneimittel zum Erhalt der Servicepakete ergebe das einen Wert zwischen 0,9 und 10 Cent pro Packung.

Die Servicepakete – etwa Pflasterboxen, Tüten, Patientenbroschüren oder Taschentücher – sieht das Gericht als „übliche Werbe- und Verkaufshilfen“ und nicht als Zuwendung im Sinne des HWG. Bei der Bewertung folgten die Richter der Rechnung von Eurim. Insgesamt verstoße das Bonusmodell damit nicht gegen die AMPreisV. Bei OTC-Arzneimitteln gelte diese ohnehin nicht, mangels Produktbezug liege hier auch kein Verstoß gegen das HWG vor.

Die Richter zitieren auch ein anderes Verfahren gegen das Bonusprogramm des Reimporteurs Kohlpharma. Dass das LG Saarbrücken dies kritischer gesehen hatte, spielt aus Sicht des LG Traunstein keine Rolle. Die Rabattmodelle unterschieden sich nämlich deutlich voneinander. So habe es bei Kohl eine Kombination aus Basisrabatt und Skonto für jedes direkt bezogene Arzneimittel gegeben. Damit werde bei einzelnen Packungen der rabattfähige Großhandelsabschlag von 3,15 Prozent überschritten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Integritas ist gegen die Entscheidung bereits in Berufung gegangen. Nächste Station ist das Oberlandesgericht München (OLG). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung könnte die Sache aber auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) gehen.

Integritas, hinter dem die Pharmaverbände BAH und BPI sowie der Diätverband stehen, hatte Kohl und Eurim abgemahnt und vor dem LG Hamburg entsprechende einstweilige Verfügungen erwirkt. Doch dann wurden die Fälle an die zuständigen Gerichte verwiesen. Das LG Traunstein sah keine Dringlichkeit – als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung: Das Bonusmodell ist bereits elf Jahre alt.

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