Therapietreue

Studie: Apotheker verunsichern Patienten

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Berlin -

2009 wollte die Versandapotheke Sanicare mit einer Studie beweisen lassen, das Zuzahlungen die Adhärenz der Patienten verschlechtern. Dieser Freifahrtschein für Rx-Boni gelang nicht. Stattdessen brachte die Untersuchung der Bremer Wissenschaftler ein erstaunliches Ergebnis zu Tage: Die Beratung in der Apotheke wirkt sich negativ auf die Therapietreue von Patienten aus.

Die Universität Bremen hat verschiedene Einflussfaktoren untersucht, die die Therapietreue negativ beeinflussen. Demnach sank die Non-Adhärenz um fast 60 Prozent, wenn die Apotheker die Patienten nicht über das Medikament informiert hatten.

Die Wissenschaftler des Bremer Instituts für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG) führen das auf möglicherweise gegensätzliche Informationen von Arzt und Apotheker zurück. So könnte zwischen den Aussagen des Arztes und den Hinweisen des Apothekers eine „kognitive Dissonanz“ liegen.

Die Folge sind laut verunsicherte Patienten: „Wenn sich die Experten nicht einig sind, nimmt der Patient das Medikament lieber nicht ein“, heißt es in der Studie. Zentral sei die Unterstützung durch den behandelnden Arzt: „Gibt der Arzt den Patienten detailliert Auskunft, nehmen sie die Medikamente meist wie besprochen ein.“

Zudem schätzen die Wissenschaftler, dass der „fachlich korrekte aber zu allgemeine Hinweis des Apothekers“ auf mögliche Nebenwirkungen dazu führen könnte, dass der Patient das Medikament „für alle Fälle“ nicht einnimmt.

Ärzten wie Apothekern sei in jedem Fall zu raten, „die Fachinformationen zu Nebenwirkungsrisiken laienverständlich, anschaulich und spezifisch auf den Patienten zugeschnitten zu kommunizieren“, sagt Dr. Bernard Braun vom Zentrum für Sozialpolitik an der Universität Bremen.

Adhärenz beziehungsweise Non-Adhärenz ergebe sich insgesamt aus einem Bündel von Einflussfaktoren, so die Forscher. Persönliche Einstellungen, Erfahrungen mit Ärzten und Medikamenten sowie Alter, Einkommen oder Geschlecht hätten Einfluss darauf, ob die Medikamente wie verordnet genommen würden.

Etwa würden höher gebildete Menschen die Einnahme häufiger vergessen als Menschen mit niedrigerem Schulabschluss. Laut Dr. Gerd Marstedt aus Bremen erhöhen gleichzeitig altersbedingte Vergesslichkeit, arzt- und medikamentenkritische Einstellungen sowie mehrere gleichzeitig einzunehmende Arzneien die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten mal eine Tablette vergessen.

Manche Patienten würden zudem ihre Medikamente absetzen, wenn sie sich fit fühlten. Bei guter ärztlicher Beratung, geistiger Verfassung und Rückhalt in der Familie nähmen die Patienten aber weiter wie verordnet die Medikamente.

„68 Prozent unserer Probanden würden sich nie trauen, ein verordnetes Medikament wegzulassen, 32 Prozent allerdings schon. Die häufigsten Gründe hierfür waren, dass Patienten keine ärztliche Einnahmevorschrift erhalten hatten und dass die Arzneimittel subjektiv nicht gegen die Beschwerden geholfen hatten“, sagte Holst. Dabei seien Patienten mit zunehmendem Alter therapietreuer geworden.

Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass die Therapietreue von chronisch kranken Menschen nur minimal größer ist als die von Arzneimittelnutzern im Allgemeinen. 60 Prozent der chronisch Kranken verhielten sich uneingeschränkt therapietreu. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verhält sich im Durchschnitt die Hälfte aller Patienten therapietreu.

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