Kommentar

Apotheker auf Bewährung

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Berlin -

Der Apotheker in seiner Apotheke: Im Fall von Werner Lukassowitz hat dieser Grundsatz des Apothekenrechts seine ursprüngliche Bedeutung zurückgewonnen. Der 60-Jährige ist wohl der einzige Pharmazeut in ganz Deutschland, der trotz erlaubten Mehrbesitzes nicht mehr filialisieren darf. Weil er aus Sicht des Verwaltungsgerichts Arnsberg mit vier Apotheken überfordert war, musste er einem merkwürdigen Vergleich zustimmen: Er bringt weniger Zuverlässigkeit als seine Kollegen mit, also darf er auch weniger Apotheken betreiben.

Im Februar hatte der zuständige Amtsapotheker des Hochsauerlandkreises die Zwangsschließung der vier Apotheken von Lukassowitz angeordnet. Zunächst war die Sache klar: Der Widerruf der Betriebserlaubnis schien nach jahrelangem Streit, mehreren berufsrechtlichen Verfahren und angesichts einer mehr als 40 Seiten umfassenden Akte gerechtfertigt.

Doch jetzt müssen die Siegel zumindest bei einer Apotheke wieder abgeknibbelt werden. Die Richter stellten hinter verschlossenen Türen in Aussicht, dass sich das Verfahren über Monate oder sogar Jahre hinziehen könnte. Für keine der Parteien eine angenehme Aussicht. Auch mit der Entscheidung über den Sofortvollzug tat sich das Gericht schwer – also mit der Frage, ob Lukassowitz seine Apotheken vorerst weiter betreiben dürfen würde. Von der Hand zu weisen waren die Vorwürfe nicht, aber rechtfertigten sie die sofortige Vernichtung seiner beruflichen Existenz?

So kam ein Vergleich zustande, über den die Fachwelt nicht schlecht staunt. Er musste sich dazu verpflichten, keine Betriebserlaubnis für weitere Apotheken zu beantragen und neben der Apotheke in Sundern auch keine weitere Apotheke geschäftsführend oder verantwortlich zu leiten. So etwas gab es noch nicht.

Zurecht gilt der Widerruf der Betriebserlaubnis – neben dem Approbationsentzug – als Ultima ratio: Wer sich als unzuverlässig im apothekenrechtlichen Sinne erwiesen hat, der muss von Patienten ferngehalten werden, so der Grundsatz. Du sollst nicht trinken, du sollst nicht dealen, du sollst Krankenkasse und Finanzamt nicht betrügen. Ein bisschen Unzuverlässigkeit ist nach dieser Theorie nicht vorgesehen. Was aber, wenn einer immer wieder durch kleinere und größere Nachlässigkeiten auffällt? Verstöße, die für sich genommen kein Weltuntergang sind, in der Summe aber nicht akzeptabel?

Die Möglichkeit, komplizierte Verfahren mit ungewissem Ausgang beizulegen, ist dem Verwaltungsrecht nicht fremd. Im Gegenteil: Gerade beim Streit mit Ämtern und anderen staatlichen Stellen wird grundsätzlich nach dem mildesten Mittel gesucht. Wenn sich etwa Behörde und Hersteller über die Qualität von Zulassungsunterlagen uneins sind, kann beispielsweise über die Anwendungsgebiete verhandelt werden.

Dass ein Apotheker aus disziplinarischen Gründen in seiner Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt wird, ist freilich etwas ganz anderes, als wenn ein Hersteller einen Satz im Beipackzettel umformulieren muss. So bleibt ein fahler Beigeschmack: Warum erst der Aufmarsch mit der Polizei, wenn es dann doch nicht ganz so arg um die Zuverlässigkeit bestellt war? Bevor man die Betriebserlaubnis kassiert, sollte man als Amtsapotheker sicher sein, dass sich der Kollege zur Ausübung seines Berufs tatsächlich und dauerhaft disqualifiziert hat.

Es liegt im Wesen des Vergleichs, dass jede Partei ein gutes Stück ihrer Rechtsposition aufgeben muss, um den Streit aus der Welt zu schaffen. In solchen Stunden muss man pragmatisch denken – und akzeptieren, dass man nicht als Sieger vom Platz geht. Oder man muss sich seiner Position sehr sicher sein. So sicher, dass man lieber eine Niederlage kassiert als einen Millimeter zu weichen.

Lukassowitz entschied sich, klein bei zu geben. Für ihn hätte es auch schlimmer kommen können. Die Richter hatten eindeutige Signale geschickt: Wir wissen nicht, ob Sie wirklich unzuverlässig sind. Aber wir denken, dass Sie überfordert waren. Überlegen Sie doch einmal gut, ob Sie nicht auch mit einer Apotheke glücklich werden könnten.

So wurde ein Kompromiss geschlossen, der den Apotheker nicht nur drei Apotheken, sondern auch ein gehöriges Maß seiner beruflichen Ehre kostete. Er darf nicht filialisieren, musste die Apotheke nehmen, die ihm zugewiesen wurde. Er ist Apotheker auf Bewährung sozusagen. So ähnlich müssen Menschen fühlen, die wegen Auffälligkeiten im Straßenverkehr vor die Wahl gestellt werden: Entweder nur noch maximal 80 km/h fahren und im Umkreis von 50 Kilometern bleiben – oder Führerschein ganz abgeben.

Das Gericht begründet seine Zustimmung zu dem Deal mit den besonderen Umständen des Einzelfalles – sowohl der Art und dem Ausmaß der dem Apotheker vorgeworfenen Verstöße als auch der anzustellenden Prognose, ob konkret eine Wiederholung derartigen Verhaltens zu erwarten sei.

Der Rechtsstaat ist mit der Einigung von Arnsberg um eine skurrile Facette reicher. Die spannende Frage ist, ob sich solche Fälle wiederholen werden. Ob unterhalb des Apothekenrechts weitere Einschränkungen möglich sind: Sie haben zu oft fehlerhaft abgerechnet, also dürfen sie nur noch OTC-Medikamente verkaufen. Ihr Mitarbeiter ist beim ZDF-Apothekentest durchgefallen, also darf er nicht mehr im HV arbeiten. Ihre Rezeptur wies Mängel auf, also müssen sie einen Lohnhersteller beauftragen. Kein Manager käme auf die Idee, sich derart gängeln zu lassen. Die Freiberuflichkeit, das zeigt sich einmal mehr, ist teuer erkauft.

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