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Apothekenrettung per Hubschrauber Silvia Meixner, 17.06.2017 07:57 Uhr

Berlin - 

Jamaika macht‘s möglich: Die FDP Schleswig-Holstein schwenkt politisch um. Mit einem groß angelegten Rettungsplan will die Partei den vergrätzten Apothekern die Hand reichen. Die reiben sich erstaunt die Augen: Gestern landete erstmals der Hubschrauber der „Apothekenretter“ auf deutschem Boden, Ziel war der Stadtrand von Flensburg, ganz oben im Norden. Zu retten gibt es viel.

Schleswig-Holstein lässt sich das Prestige-Projekt richtig etwas kosten: Bis 2020 sind 400 Millionen Euro eingeplant, andere Bundesländer sollen nachziehen. An Bord des weißen Hubschraubers mit dem Logo der „Apothekenretter“ ist ein Kernteam mit drei Experten. Ein erfahrener Apotheker i.R. (der 85-jährige Alfred K.), ein Betriebswirt mit langjähriger Sanierungserfahrung und eine junge PTA, die eine fundierte Zusatz-Ausbildung als Expertin für Social Media hat. Gemeinsam bringen sie hundert Jahre Apothekenerfahrung mit. Denn auch wenn viele Apotheker dieses Internet verdammen: Am Ende wird überleben, wer drin ist und sich auskennt.

Als Wappentier haben die Experten das Einhorn gewählt. Das edelste aller Fabeltiere ist seit Jahrhunderten ein Symbol für das Gute und erlebt gerade eine Renaissance. Vom Plüschtier bis zur rosa gefärbten Wurst, die Industrie lässt nichts unversucht, um am Fabel-Kuchen mitzunaschen. „Damit ist das Einhorn das perfekte Tier für uns“, erklärt Alfred K. „Es ist ein Sympathieträger und es gibt viele Apotheken, die Einhorn im Namen tragen. Das Einhorn schenkt den Menschen seit jeher Wunder. “ Viele Apotheker brauchen dringend eines – für die Einhorn-Apotheke in Lippstadt kommt die Aktion zu spät: Sie schließt nach 304 Jahren.

So funktionieren die „Apothekenretter“: Apotheker in Not können das kostenlose Team online buchen (aktuelle Wartezeit wegen des großen Andrangs: neun Wochen). Die drei Profis landen und machen sich sofort an die Arbeit. Der Betriebswirt kontrolliert sämtliche Unterlagen – ja, auch die, die das Finanzamt besser nicht sehen sollte – und macht umgehend ein Sanierungskonzept, das binnen fünf Monaten greifen soll.

Die drei sind das, was Christian Rach für Restaurants in Not ist. Das Trio ist hart, aber herzlich. Alfred K. interviewt im Einsatz die Mitarbeiter, um Stärken und Schwächen des Unternehmens herauszufinden. Er testet, ob Arzneimittel korrekt ausgesprochen und Blumen am Wegesrand richtig erkannt werden. Außerdem sollte die PTA beim Anblick der schönsten Verletzungen standhaft bleiben.

Während des Fluges hat PTA Terry schon sämtliche Social Media-Aktivitäten der Apotheken gecheckt und die ersten Ideen, wie man online noch mehr Kunden gewinnen kann. Auch wer noch keine Website oder eine aus den 90er-Jahren hat, sollte umdenken und mit Terry sprechen. Sie sagt: „Was ich online sah, ließ mich erschaudern. Es gibt Apotheker mit Webseiten, die ins Museum gehören.“

Dass nur Schelte nicht weiterhilft, wenn einem das Wasser sowieso schon bis zum Hals steht, weiß natürlich auch das Apothekenretter-Team. Deshalb haben die Experten auch aufmunternde Geschichten im Gepäck. Es ist ja schließlich nicht alles schlecht in der Branche. Zwar läuft das OTC-Geschäft so lala – nur wenige Hersteller können sich über Wachstum freuen. Dafür boomt Cannabis in den Apotheken: Im März verordneten Ärzte insgesamt 564 cannabishaltige Zubereitungen oder Cannabisblüten in Rezepturen.

Retten wird Cannabis die Apotheken allerdings nicht – zumal andere pflanzliche Zubereitung gerade aus der Apothekenpflicht entlassen werden sollen. Da kann man auch als Apothekenretter nur auf Nachschub hoffen. Ratiopharm verspricht eine Lösung: Die Billiglinie AbZ soll aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst werden. Ein Abschiedsgeschenk von Deutschlandchef Dr. Markus Leyck Dieken, den es in die USA zieht. Nur auf die Extraportion Vitamin C dürfen die Ulmer bei ihren ASS-Brausetabletten nicht mehr hinweisen.

Dass schwache Apotheken auf Skonti angewiesen sind, muss man den Kunden der Apothekenretter vermutlich nicht nochmal aufs Butterbrot schmieren. Noch halten die Konditionen der Großhändler so manche Bude über Wasser, bei der Sanacorp sieht man die Rabattschlacht auf einen neuen Höhepunkt zusteuern. Im Juli entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH), ob Apotheken auch künftig noch von ihren Lieferanten alimentiert werden dürfen. AEP-Chef Jens Graefe ist zuversichtlich, weil sonst auch andere (Zwangs)Rabatte im Gesundheitswesen wackeln dürften. Und das will wohl niemand.

Gar nicht gut lief es in dieser Woche für DocMorris: Anders als der scheidende CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs empfängt Baden-Württemberg die Versandapotheke nämlich nicht mit offenen Armen. Das Landgericht Mosbach verbot die Abgabe von OTC-Medikamenten am Automaten in Hüffenhardt: Alleine der Umstand, dass die Arzneimittel über ein Videoterminal angefordert würden, mache deren Abgabe nicht zur einer Bestellung über den Versandhandel, so die Begründung. Den Apothekerverband freut es, DocMorris will weiterkämpfen – natürlich nur im Interesse der Hüffenhardter.

Auch mit den Boni läuft es nicht ganz rund. Das kreative Quittieren wurden verboten, und weil die Kanzlei Hönig & Partner aus Leipzig im Auftrag mehrerer Apotheker beim GKV-Spitzenverband nachhakte, muss die Trickserei nun tatsächlich ein Ende haben. „Der Bonus ist damit tot“, sagt Rechtsanwalt Fabian Virkus. Nicht dass die Übernahme des Rechenzentrums König ein Fehler war.

Manchmal ist es tröstlich zu sehen, dass man im Leid nicht allein ist. Das hilft der Glückauf-Apotheke in Saarlouis zwar nicht weiter, aber hier ist der Name Programm. Nachdem ein unbekannter Brandstifter die Schleuse/Garage angezündet hatte, kämpft sich das Team tapfer wieder zurück in den Alltag. „Auch so eine Geschichte kann Apothekern in der Krise Mut machen“, bestätigt Alfred K. von den Apothekenrettern.

Wenn die Sanierung fertig ist, kommt der Fotograf und lichtet die Apotheke nach allen Regeln der Internet-Kunst ab: Indoor-Street-View, 360-Grad-Ansichten – die Kunden werden Augen machen. Dann muss man sie nur noch dazu bekommen, nicht online zu bestellen. Kunden, die sich beraten lassen und dann als Online-Käufer outen, sind die Hölle. Man kann sie rauswerfen, falsch beraten (macht natürlich kein Apotheker!) oder einfach weglächeln.

Und bevor wieder Beschwerden kommen: Der Hubschrauber der Apothekenretter ist nicht gekauft, sondern kostengünstig geleast. Da hat der neue Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) höllisch aufgepasst. Negativ-PR können sich die Liberalen nach ihrer Rückkehr aus dem politischen Abseits nicht leisten. Ursprünglich sollte der busfahrende Apotheker Bußmann aus Ahlen für die Einsätze der Apothekenretter engagiert werden. Der winkte aber freundlich ab: Keine Zeit, seine Geschäfte laufen glänzend. Schönes Wochenende.