Herstellbetriebe

Zytoservice ist verkauft Patrick Hollstein, 07.11.2016 11:06 Uhr

Berlin - 

Deutschlands führender Hersteller für patientenindividuelle Sterilrezepturen ist verkauft. Der Finanzinvestor IK Investment Partners übernimmt den Hamburger Herstellbetrieb. Der Kapitalgeber ist kein Unbekannter: Er hatte bis 2014 den Konkurrenten GHD Gesundheits GmbH Deutschland auf seiner Einkaufstour unter den Zytoapotheken begleitet.

Zytoservice war 2002 durch Enno Scheel, Thomas D. Boner und Thomas Hintz gegründet worden. Die Apotheker, die ihre Apotheken parallel in die Antares OHG eingebracht hatten, leiten nach wie vor die Geschäfte bei Zytoservice. 2007 holten sie sich den Finanzinvestor Capiton an Bord. Ein Beteiligungsfonds der Berliner übernahm 40 Prozent der Anteile – 40 Millionen Euro soll Capiton nach Gerüchten aus der Branche für den Einstieg bezahlt haben.

Der Kaufpreis, den IK jetzt auf den Tisch gelegt hat, ist nicht bekannt. Nach Medienberichten wurde Zytoservice zuletzt mit 250 Millionen Euro bewertet, etwas weniger als noch in der ersten Bieterrunde. Als Gründe wurden der Preisverfall und die Unsicherheiten in Sachen Ausschreibungen genannt. Die Transaktion bedarf noch der Zustimmung der zuständigen Behörden.

Capiton wollte bei Zytoservice eigentlich schon nach fünf Jahren aussteigen. Doch der aufgerufene Kaufpreis in dreistelliger Millionenhöhe ließ sich nicht 2012 realisieren, der Verkauf wurde abgeblasen. Stattdessen setzten die Investoren darauf, dass die neue Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) neue Kunden auf Seite der Apotheken bringen und damit den Wert von Zytoservice sogar noch steigern würde. Seitdem hat sich der Umsatz verdoppelt.

Anfang dieses Jahres erteilte Capiton der Münchner Beratungsfirma Ferber dann ein Verkaufsmandat. Diesmal sollte Zytoservice komplett verkauft werden. Capiton hatte vorgesorgt und sich vertraglich das Recht gesichert, bei einem Verkauf die Mehrheitsgesellschafter zum Ausstieg zwingen zu können – solange die Konditionen dieselben sind.

IK war von 2010 bis 2014 Mehrheitseigentümer beim Konkurrenten GHD, bei dem womöglich ebenfalls Veränderungen anstehen: Vor Kurzem wurden die Geschäftsbereich Homecare und Onkologie getrennt – womöglich um einen Verkauf vorzubereiten. Als IK seine GHD-Anteile vor zwei Jahren an Nordic Capital verkaufte, hatte sich der Umsatz von GHD von 284 auf 485 Millionen Euro nahezu verdoppelt. Mit IK an Bord hatte die Ahrensburger Unternehmensgruppe mehrere Herstellbetriebe eingesammelt und unter dem Dach Profusio zusammengebracht: Medinal in Greven, AdHibis in München, Oncosachs aus Leipzig, Oncotrade in Haan und RS Pharma aus Berlin. Man sei stolz, eine Schlüsselrolle bei der Marktkonsolidierung gespielt zu haben, sagte Detlef Dinsel, Managing Partner bei IK in Hamburg, damals.

Bei Zytoservice könnte es nun ebenfalls darum gehen, eine deutschlandweite Präsenz aufzubauen. Die meisten Rezepturen werden nach wie vor für die hauseigenen Antares-Apotheken hergestellt; der Vertrieb ist bislang vor allem bei den Onkologen erfolgreich. Ein Netzwerk an Apotheken oder Herstellbetrieben wie bei GHD gibt es nicht: Vor wenigen Monaten verlor Zytoservice seinen gleichnamigen Partner in Berlin: Apotheker Manfred Scheider kaufte das 20-prozentige Anteilspaket zurück und brachte das Unternehmen unter dem Namen Medios zuletzt an die Börse.

Der neue Eigentümer vertraut weiter auf die Expertise der Altgesellschafter: Scheel und Boner bleiben als Unternehmenslenker dabei. Außerdem sollen sie weiter Anteilseigner bleiben; in welchem Umfang war bislang nicht zu erfahren.

„IK hat umfangreiche Erfahrungen in unserer Branche; mit dieser Unterstützung sind wir gut aufgestellt, um unsere Kompetenz und unseren Service für die Kunden weiter auszubauen“, sagte Scheel. Man sei überzeugt von der Stärke von IK und werde weiter investieren, um die wachsende Nachfrage bedienen zu können, ergänzte Boner.

„Dank unserer Erfahrungen haben wir das Potenzial von Zytoservice schnell erkannt“, kommentierte Dinsel. „Wir freuen uns darauf, das Management zu unterstützen und die Leistungsfähigkeit weiter auszubauen.“ Zytoservice sei ideal aufgestellt, um sich auf höchstem Qualitätsniveau weiterzuentwickeln.

Zytoservice ist die zweite Beteiligung des erst in diesem Jahr aufgelegten IK VIII Fonds. Seit der Gründung 1989 hat IK mehr als sieben Millionen Euro investiert und knapp 12 Millionen Euro realisiert.

Mit einem Umsatz von 160 Millionen Euro im Jahr 2014 und 370.000 angefertigten Infusionslösungen ist Zytoservice der führende Herstellbetrieb für Sterilrezepturen in Deutschland – und mit einer EBIT-Marge von knapp 5 Prozent profitabel. Allerdings war das Unternehmen mit knapp 40 Millionen Euro verschuldet.

Rund 200 Mitarbeiter sind in Hamburg-Jenfeld beschäftigt; der 2009 eröffnete Standort gehört mit sieben Laboren und 26 Werkbänken auf knapp 3000 Quadratmetern zu den modernsten GMP-Sterillaboren in Europa. Seit 2012 werden hier auch Infusionslösungen für Praxen in den Niederlanden hergestellt; das Joint Venture mit einem Partner vor Ort ist mit Erlösen von 2,3 Millionen Euro aber noch vergleichsweise unbedeutend. Die Geschäftsbereiche Vertrieb und Softwareentwicklung sind in Hennef angesiedelt.

Seit 2014 gehört auch die SKH Stadtteilklinik in Hamburg zu Zytoservice. Mit 15 Betten in den Fachbereichen Chirurgie/Orthopädie, Gynäkologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Innere Medizin kommt das Unternehmen auf einen Umsatz von rund einer Million Euro. Wie bei vergleichbaren Investements in anderen Städten geht es vor allem darum, Arztsitze einzusammeln und in MVZ-Strukturen zu integrieren. Auch Omnicare und andere Zytoapotheker sind in dem Bereich aktiv.

In der Geschäftsführung sind außerdem Vertriebschef Dr. Ralf Reichelt und Dr. Guido Tuschen, verantwortlich für neue Versorgungsformen. Beide kamen vom Spezialgroßhändler Megapharm, der seit einem Jahr zum Zyto-Verbund Omnicare gehört. Finanzchef bei Zytoservice ist Dr. Mirco Schaecke.

Rund um Zytoservice hatten die Apotheker mehrere Firmen aufgestellt, darunter den Großhändler THP Medical, die Unternehmensberatung IfPM (Institut für Pharmakoökonomisches Management) und Vivatis als Pharma-Dienstleister. Zum erweiterten Umfeld gehören auch die onkologische Laborgemeinschaft Lance und die Unternehmensberatung Onkotrakt.

Zytoservice kümmert sich auch um logistische Fragen von Studienzentren, begleitet klinische Studien und wertet die anfallenden Daten aus. Nicht nur Herstellbetrieb, sondern „onkologischer Systemdienstleister“ will man in Hamburg sein – und gibt sich selbstbewusst: „Wir zeichnen uns nicht nur dadurch aus, dass wir 'steril' produzieren. Die Herstellungsqualität ist eine Selbstverständlichkeit für uns“, sagte Scheel vor einiger Zeit. „Wir wollen Antworten auf die Fragen der Zukunft der onkologischen Versorgung finden.“