ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Apotheken sollen Coronaleugner-Zertifikate ausstellen Alexander Müller, 28.08.2021 07:58 Uhr

Der neuste Schrei in Apotheken: Das Coronaleugner-Zertifikat. Montage: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Jede Woche etwas Neues: Nachdem die Apotheken jetzt also nicht nur Impf- und Impfgenesenen-Zertifikate ausstellen können, sondern auch Genesenen-Zertifikate, sollen ab kommender Woche Zertifikate für Menschen dazu kommen, die sich ohne medizinischen Grund nicht impfen lassen wollen.

Die Corona-Leugner fühlen sich diskriminiert und ausgeschlossen: Nur weil eine Pandemie den Globus überzieht und Millionen Menschenleben fordert, sollen sich plötzlich alle impfen lassen und testen und Maske tragen?! Und wer das alles nicht will, soll sich nicht mehr in Menschenmengen begeben dürfen und andere anstecken?! Das ist eine nie da gewesene Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte. Man wird ja wohl noch andere gefährden dürfen!

Das schreit nach einer Demo mit viel Geschrei! Und damit da keiner von den zimperlichen, obrigkeitshörigen Lämmern Angst um seine kostbare Lungenfunktion haben muss, dürfen eben nur Gleichgesinnte erscheinen. Teilnahmebedingung ist das Coronaleugner-Zertifikat, mit dem belegt ist, dass sich die betreffende Person nicht hat impfen lassen. Genesenen-Zertifikate werden explizit nicht anerkannt, weil damit suggeriert wird, es gäbe so etwas wie ein Coronavirus. Der Bezug dieser Zertifikate soll über die Apotheken erfolgen, weil das wär ja sonst ungerecht.

Als Beleg für den Anspruch auf ein solches Zertifikat reicht es aus, irgendeinen Satz über die Pandemie zu äußern oder über den Zusammenhang zwischen Chips und Impfstoff. Manche Inhaber:innen akzeptieren auch, wenn man ohne Maske oder mit Aluhut in die Apotheke kommt. Und manchmal gibt es Lesestoff gratis dazu: Die „Covidzini“ mit praktischem Klinikfinder und großem Beatmungs-Spezial oder die „Your Life“ mit dem Selbsteinschätzungstest: „Wie anfällig bin ich für Verschwörungstheorien?“ Für das Ausstellen der Tests werden die Apotheken nicht staatlich vergütet, können aber nach eigenem Gutdünken einen Selbstzahler-Preis festlegen.

Und bevor ich jetzt wieder Hass-Mails von irgendwelchen AfD-Abgeordneten bekomme: Ich weiß, dass sich nicht alle gegen Covid-19 impfen lassen können. Ich weiß, dass Impfungen Nebenwirkungen haben und dass es in seltenen Fällen auch zu ernsthaften Komplikationen kommen kann. Und ich respektiere, wenn man sich deswegen Sorgen macht. Ich bin gegen einen Impfzwang, aber für Vernunft. Bitte schreibt mir nicht mehr. Ach ja, zur Sicherheit: Das hier ist Satire, es gibt keine Coronaleugner-Zertifikate in Apotheken.

Was aber stimmt: Apotheken können jetzt auch Genesenenzertifikate ausstellen. Und weil genesen rechtlich so gut wie geimpft ist, bleibt es auch bei der Vergütung von 5,04 Euro netto für die Apotheken. Geld gibt es jetzt auch wieder fürs Testen – wenn auch nicht überall. Nach Umstellung des Abrechnungssystems können die Kassenärztlichen Vereinigungen und Bayern und Baden-Württemberg jetzt wieder wie gewohnt abrechnen. Und die Durchführung von Schnelltests bleibt eine apothekenübliche Dienstleistung, auch wenn es keine kostenlosen Bürgertests mehr gibt.

Und noch eine Geldfrage ist geklärt: Für Grippeimpfstoffe, die Arztpraxen nicht in Apotheken abgerufen haben und die dort traurig unverimpft lagern, kommt der Bund auf: 16 Millionen Euro will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dafür locker machen. Sollten die Apotheken aber plötzlich noch mehr Impfstoff finden, gibt es nicht mehr Kohle: Dann sinkt der Preis pro Dosis. Eine postmoderne Variante von Angebot und Nachfrage.

Wer schneller und unkompliztierter an Geld kommen möchte, kann es machen wie diese PTA, die ihren Chef um 10.000 Euro betrogen haben soll. Der Haken: Man kann damit – wie diese PTA – vor Gericht landen. Das Ganze ist übrigens wegen Nikotin-Kaugummis aufgeflogen, weitere Details könnte es am Montag geben, dann wird die Verhandlung fortgesetzt.

Wenig aussichtsreich ist das Geldverdienen dagegen mit dem Botendienst. Apotheken wissen das, dennoch drängen jetzt mehr Drittanbieter in den Markt. Innerhalb von 10 Minuten sollen die Arzneimittel jetzt ausgeliefert werden? Warum? Weil es die Kund:innen so wollen. Ein Apotheker meinte zu dieser Form überbordender „customer centricity“: Zehn Minuten sind für einen Notfall zu lange und für alles andere egal. Und überhaupt: Die Abda will nur apothekeneigenes Personal, obwohl die Noweda sich noch bereithält.

Zur effizienten Organisation des Botendienstes gehört ein gut funktionierendes Backoffice. Und hier schalten und walten die PKA, die heimlichen Stars in vielen Betrieben. Eine waschechte Chef-PKA fordert daher für ihre Kolleg:innen ein, was ihr schon zu Teil wird: Mehr Verantwortung in wirtschaftlichen Fragen. Wer auch immer in der Apotheke Herr oder Herrin der Zahlen ist, dürfte bemerkt haben, dass die Erkältungsprodukte wieder etwas besser ziehen. Hier: Hustensaft vervierfacht.

Eine der großen Zukunftsfragen der Apotheken: Wohin wandern die E-Rezepte? Zu Amazon, wie eine Smile-Studie vermuten lässt? Oder doch zu DocMorris? Der Marktplatz des Versenders könnte zu allem Überfluss auch noch rechtlich gegenüber den Plattformen der Vor-Ort-Apotheken bevorzugt werden. Ein Grund mehr für Zur Rose CEO Walter Oberhänsli für eine Zusammenarbeit zu werben. Doch im Schlagabtausch mit Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening stellte diese klar, dass aus ihrer Sicht Digitalisierung nichts mit Versandhandel zu tun hat.

Ob das E-Rezept tatsächlich zum Jahreswechsel obligatorisch eingeführt wird, bleibt sowieso abzuwarten. Dazwischen liegt immerhin noch eine Bundestagswahl. Und bei der könnte die Union von den Apotheker:innen abgestraft werden, wie eine aposcope-Umfrage belegt. Und wen wünschen Sie sich als neue/n Kanzler/in? Wichtig: Nicht nur wünschen, sondern auch wählen! Schönes Wochenende!