DAT-Anträge

Retaxationen erträglich machen Julia Pradel, 18.08.2014 11:31 Uhr

Berlin - 

Nullretaxationen bewegen die Apothekerschaft – im alltäglichen Geschäft und in der Standespolitik. Auch beim Deutschen Apothekertag (DAT) in München steht das Thema wieder einmal ganz oben auf der Agenda: Mehrere Kammern und Verbände sowie der Geschäftsführende Vorstand der ABDA haben Anträge eingereicht, die Nullretaxationen ein Ende bereiten sollen. Der Apothekerverband Rheinland-Pfalz macht sich außerdem für eine Entschädigung für ungerechtfertigte Retaxationen stark.

Der ABDA-Vorstand hat – unterstützt von den Apothekerkammern und –verbänden in Berlin, Niedersachsen und Nordhrein – einen Antrag gegen Nullretaxationen vorbereitet. Demnach soll die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker den Gesetzgeber auffordern, durch eine Änderung im Sozialgesetzbuch (SGB V) die Zulässigkeit von Nullretaxationen grundsätzlich auszuschließen.

Die Versorgung der Patienten sei im Apothekenalltag geprägt von einem immer komplexeren System von gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, heißt es in der Begründung. Komplexe Systeme seien erfahrungsgemäß fehleranfällig, wobei nicht jeder Fehler Auswirkungen auf die Versorgung der Versicherten habe.

Die Krankenkassen hätten aktuell die Möglichkeit, auch bei Formfehlern Nullretaxationen auszusprechen. Der Apotheker trage damit das wirtschaftliche Risiko, keine Vergütung zu erhalten, obwohl der Versicherte mit einem medizinisch notwendigen und pharmazeutisch korrekten Medikament versorgt worden sei. Die Leistung des Apothekers werde von den Krankenkassen in diesen Fällen nicht anerkannt und nicht vergütet.

Die ständige Anzahl von Absetzungen aufgrund von Formfehlern, die die Apotheker in der Regel nicht verschuldet hätten, habe aber zur Folge, dass der Aufwand zur Korrektur dieser Fehler ein zumutbares Maß längst überschritten habe und im Einzelfall zu unnötigen Verzögerungen bei der Versorgung führe.

Die Apotheker fordern, dass in jedem Falle der Einkaufspreis des Medikaments ersetzt werden soll. „Apotheker müssen sich darauf verlassen können, dass sie Rezepte, wenn sie korrekt beliefert werden, auch korrekt bezahlt werden“, heißt es in der Begründung zu dem Antrag. Der Schutz vor exzessiven Retaxationen ermögliche den Apothekenteams, sich weiterhin bestmöglich auf ihre pharmazeutische Aufgabe zu konzentrieren.

Aus Sicht der Antragssteller können sich Apotheker nur dann wie bisher ihrer ihnen zugewiesenen Aufgabe widmen, wenn der Gesetzgeber ausufernde Retaxationen auf Null bei Formfehlern eindämmt. „Der Versicherte und die von ihm benötigte ärztliche Therapie stehen wieder im Vordergrund und nicht die Finanzinteressen der Krankenkassen“, prophezeien die Apotheker.

Der Apothekerverband Brandenburg hat sogar schon einen konkreten Änderungsvorschlag: Demnach soll im SGB V geregelt werden, dass „im Falle einer Beanstandung der Abrechnung von Krankenkassen wegen formaler Fehler“ wenigstens der Arzneimittelpreis ohne Festzuschlag und Fixhonorar gezahlt wird.

Die Apothekerkammer Berlin will mit einem eigenen Antrag die Betäubungsmittelabgabe erleichtern. Die Regelung, nach der Rezepte den Vermerk „Gemäß schriftlicher Anweisung“ soll um den Nachtrag „oder eine vergleichbare Formulierung“ ergänzt werden. Außerdem sollen Betäubungsmittelrezepte auch noch später als sieben Tage nach der Ausfertigung beliefert werden dürfen, wenn ein nachweisbarer Lieferengpass vorlag oder N2- beziehungsweise N3-Packungen abgegeben werden.

Der Apothekerverband Rheinland-Pfalz fordert für die Apotheker das gleich Recht wie für Kliniken: eine Entschädigung bei unbegründeten Retaxationen. Die Auswertungen der vergangenen Jahre zeigten, dass eine Vielzahl der Retaxationen gegenüber Apotheken unbegründet sei, heißt es in der Antragsbegründung. Für die betroffenen Apotheken und die Verbände bedeute dies einen finanziellen Mehraufwand, der bis zum jetzigen Zeitpunkt durch keinerlei Ausgleichszahlungen der Krankenkassen oder der mit Retaxationen beauftragten Dienstleister vergütet werde.

Entschädigt werden sollen die Apotheker aus Sicht des Verbands für den Zinsverlust und den entstandenen personellen und materiellen Mehraufwand. Vorbild sind Kliniken, die mit einer Pauschalvergütung in Höhe von 300 Euro pro Fall entschädigt werden, und Ärzte, die aus Sicht des Verbands von der Regelung „Erst Beratung, dann Regress“ profitieren. „Hier ist eine Gleichstellung der Leistungserbringer anzustreben“, so der Verband.

Der Verband hat gleich zwei Anträge zu dem Thema eingereicht: Einerseits soll mit dem GKV-Spitzenverband Entschädigungszahlungen vereinbart und im Rahmenvertrag verankert werden. Andererseits will man sich den Weg über die Politik nicht verschließen: Mit dem zweiten Antrag soll der Gesetzgeber aufgefordert werden, eine Entschädigungsleistung im SGB V festzulegen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte im Herbst vergangenen Jahres entschieden, dass Nullretaxationen zum Berufsrisiko der Apotheker gehören. Zwei Verfassungsbeschwerden gegen das Urteil waren abgelehnt worden: Den Richtern in Karlsruhe zufolge ist der disziplinarische Effekt einer kompletten Rechnungskürzung durchaus zu rechtfertigen. Damit bleibt nur die Hoffnung auf die Politik. Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich hatte im April versprochen, das Problem noch „in dieser Legislatur, vielleicht sogar noch in diesem Jahr“ zu lösen.

Jens Spahn (CDU) hatte bereits beim letzten Apothekertag versprochen, notfalls gesetzlich einzugreifen. Im Koalitionsvertrag sind Schutzmaßnahmen vor Retaxationen nur für andere Heilberufler vorgesehen.

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