EMA bewertet NDMA im Valsartan

Kein unmittelbares Risiko: Krebsrisiko 1:5000 APOTHEKE ADHOC, 03.08.2018 11:13 Uhr

Berlin - 

„Kein unmittelbares Patientenrisiko“ lautet die wichtige Botschaft der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auch nach der Bewertung des toxikologischen Risikos zu mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigtem Valsartan. Nach einer vorläufigen Bewertung schätzt die Behörde einen zusätzlichen Krebsfall auf 5000 Patienten.

Etwa einen Monat ist es inzwischen her, dass Valsartan-haltige Arzneimittel aufgrund einer Verunreinigung mit dem als potenziell krebserregend eingestuften NDMA zurückgerufen wurden. Betroffen waren Arzneimittel, deren aktive Substanz vom chinesischen Lohnhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical produziert wurde. Die durchschnittliche Konzentration der Verunreinigung im Wirkstoff konnte mit 60 ppm nachgewiesen werden. Ausgehend von diesem Wert nimmt die EMA ihre Risikobewertung vor. Die vorläufige Schätzung basiere auf der Annahme, dass das in dem Wirkstoff vorhandene NDMA in der gleichen Menge in das Endprodukt übertragen wurde, so die Behörde.

Anhand der Konzentration schätzt die EMA ausgehend von 5000 Patienten, die über einen Zeittraum von sieben Jahren täglich mit der höchsten Valsartan-Dosis von 320 mg behandelt werden, dass es einen zusätzlichen Krebsfall geben könne. Dennoch sei es „wichtig zu beachten, dass es kein unmittelbares Risiko für die Patienten gibt.“ Patienten, die noch nicht auf eine Alternative umgestellt wurden, sollten das Arzneimittel nicht absetzen, ohne zuvor einen Arzt oder Apotheker zu konsultieren.

Das mögliche Krebsrisiko wurde aus Tierversuchen extrapoliert und solle im Zusammenhang mit dem allgemeinen Risiko, an Krebs zu erkranken (innerhalb der EU 1:3), und der NDMA-Zufuhr aus anderen Quellen betrachtet werden. Schließlich sei die Substanz auch in Nahrungsmitteln oder Wasser enthalten, jedoch sei aufgrund der geringen Mengen von keinem Schaden auszugehen. Weitere Informationen über das toxikologische Risiko sollen nach zusätzlichen amtlichen Kontrollen folgen.

Die EMA spricht im Fall Valsartan für NDMA noch immer von einer „unerwarteten Verunreinigung“, von der angenommen wird, dass sie sich als Nebenprodukt gebildet hatte, nachdem der chinesische Lohnhersteller den Herstellungsprozess im Jahr 2012 umgestellt hatte. Laut Behörde seien keine anderen von Zhejiang Huahai Pharmaceutical hergestellten Wirkstoffe von der Verunreinigung betroffen. Professor Dr. Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) zufolge hätte man als Chemiker wissen können, dass die Verunreinigung anfällt.

Vor wenigen Tagen hatte die US-Arzneimittelbehörde (FDA) ihre vorläufige Bewertung zum toxikologischen Risiko von NDMA abgegeben. Experten der FDA schätzen ausgehend von 8000 Patienten, die über einen Zeitraum von vier Jahren täglich mit 320 mg Valsartan N-Nitrosodimethylamin (NDMA) behandelt wurden, dass ein Patient zusätzlich an Krebs erkrankt.

Zuvor hatte die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) das toxikologische Risiko der verunreinigten Valsartan-haltigen Arzneimittel bewertet. Bezugnehmend auf die Ergebnisse des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL) erfolgte die Stellungnahme der AMK. Das ZL konnte in einer aus eigenem Interesse durchgeführten stichprobenartigen Analyse vom Rückruf betroffener Ware NDMA-Gehalte zwischen 3,7 und 22 µg pro Tablette nachweisen. Laut AMK ist „nicht zweifelsfrei von einer unwirksamen Schwellendosis auszugehen. So könne bereits die kleinste Menge krebsauslösend wirken, allerdings in einem dosisgemäß geringen Ausmaß.“

Das Fazit der Experten: „Anhand der Abschätzung der maximalen täglichen Belastung lässt sich ein Margin of Exposure (MoE) von etwa 170 berechnen, der als besorgniserregend einzustufen ist. Im Sinne der Patientensicherheit ist eine weitere Exposition unbedingt zu verhindern.“