Antiarrhythmika

AkdÄ: Polyneuropathie unter Multaq APOTHEKE ADHOC, 02.07.2015 12:29 Uhr

Berlin - 

Multaq (Dronedaron) war ein Hoffnungsträger in der Behandlung von Arrhythmien – als sichere Alternative zum strukturell verwandten Amiodaron, das zahlreiche Nebenwirkungen aufweist. Doch nach der Zulassung wurden zahlreiche Sicherheitsprobleme bekannt: Leber- und Lungenschäden sowie kardiovaskuläre Risiken haben zu erheblichen Einschränkungen geführt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) weist darauf hin, dass das Präparat in seltenen Fällen auch zu einer Polyneuropathie führen kann.

Die AkdÄ schildert den Fall eines 70-jährigen Patienten, der ein Jahr nach Beginn der Behandlung mit Dronedaron eine ausgeprägte gemischte Neuropathie der unteren Extremitäten entwickelt hatte. Außer Trenantone (Leuprorelin) erhielt er keine weiteren Medikamente.

Bei Untersuchungen wurde festgestellt, dass das Vibrationsempfinden vollständig aufgehoben war und dass die Achillessehnenreflexe beidseitig fehlten. Außerdem wurden beginnende trophische Störungen, eine Neuropathie mit Reduktion der motorischen Leitgeschwindigkeiten, eine Reduktion der Amplituden der motorischen Summenpotenziale und fehlende sensible Suralis-Potenziale protokolliert.

Andere Ursachen für die Neuropathie wie Diabetes oder Alkoholismus lagen nicht vor; ein Zusammenhang mit dem Prostatakarzinom oder der Leuprorelin-Behandlung wurde als unwahrscheinlich eingeschätzt. Weil sich die Symptomatik nach Absetzen von Multaq deutlich besserte, ist laut AkdÄ von einem wahrscheinlichen kausalen Zusammenhang ausgehen.

In der Fachinformation von Multaq werden unter Nebenwirkungen am Nervensystem nur Geschmacksstörung („gelegentlich“) und Geschmacksverlust („selten“) aufgeführt. In der Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind laut AkdÄ insgesamt 930 Verdachtsberichte erfasst: Am häufigsten berichtet werden Vorhofflimmern und erhöhte Leberwerte. Unter Nebenwirkungen am Nervensystem werden Polyneuropathie sechsmal, periphere sensorische Neuropathie sowie axonale Neuropathie jeweils einmal genannt.

Die WHO hat laut AkdÄ Ende vergangenen Jahres auf der Basis von acht Fallberichten in der globalen Datenbank von Nebenwirkungsmeldungen ein Signal für einen Zusammenhang zwischen Dronedaron und dem Auftreten einer Polyneuropathie gesehen. Darüber hinaus gibt es in der Literatur nur einzelne Fallberichte.

Im Zusammenhang mit der Gabe von Amiodaron sind neurotoxische Wirkungen bekannt. Ihre Häufigkeit wurde in der Vergangenheit laut AkdÄ jedoch eher überschätzt, vermutlich aufgrund der früher eingesetzten höheren Dosierungen von Amiodaron. In einer aktuelleren Untersuchung traten bei 2,8 Prozent der mit Amiodaron behandelten Patienten neurotoxische Nebenwirkungen auf; wichtigster Risikofaktor war die Therapiedauer. In dieser Studie waren die Reaktionen in den meisten, jedoch nicht in allen Fällen reversibel.

Die AkdÄ empfiehlt, bei Patienten, die unter einer Behandlung mit Multaq Symptome wie Sensibilitätsstörungen, muskuläre Schwäche, trophische Störungen und reduzierte Sehnenreflexe entwickeln, eine weitere Diagnostik einzuleiten und die Möglichkeit einer Nebenwirkung frühzeitig in Betracht zu ziehen.

Dronedaron wurde 2010 von Sanofi auf den Markt gebracht. Der Wirkstoff hat laut AkdÄ im Vergleich zu Amiodaron eine deutlich geringere Wirksamkeit, aber auch weniger Nebenwirkungen: Durch die Einführung einer Methansulfonylgruppe wurde die Lipophilie gesenkt, mit Auswirkungen auf die Halbwertszeit und die neurotoxischen Wirkungen. Auch aufgrund fehlender Jodsubstitution im Molekül wurden weniger Nebenwirkungen erwartet.

Nach der Zulassung wurden jedoch wiederholt Sicherheitsprobleme gemeldet, darunter Leberschäden, pulmonale Komplikationen und kardiovaskuläre Zwischenfälle. Seit September 2011 darf Multaq nur verschrieben werden, wenn alternative Behandlungsoptionen ausgeschlossen sind. Die Behandlung sollte nur unter der Aufsicht eines Spezialisten begonnen werden; regelmäßig sollten Herz-, Leber- und Lungenfunktion überwacht werden. Seitdem hat das Produkt an Bedeutung verloren: Laut Arzneiverordnungsreport sank die Zahl der abgegebenen Tagesdosen (DDD) zwischen 2011 und 2013 von 10,7 auf 7,7 Millionen.

Dronedaron blockiert Kalium-, Natrium- und Kalziumkanäle und hemmt dadurch das Aktionspotenzial des Herzens bei gleichzeitiger Verlängerung der Refraktärzeit. Außerdem gibt es eine nichtkompetitiver antagonistische Wirkung auf die adrenerge Aktivität.