Schlafstörungen als Lifestyleproblem

Anlage II AM-RL: Kein Melatonin zu Lasten der Kasse APOTHEKE ADHOC, 13.06.2022 09:00 Uhr

Melatonin wurde in die nicht zu lasten der GKV verordnungsfähigen Lifestyle-Medikamente aufgenommen. Foto: Iryna Imago/Shutterstock.com
Berlin - 

Das Präparat Melatonin Vitabalans (Blanco) wurde in die Anlage II der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) aufgenommen. Hier finden sich Lifestylemedikamente, die trotz Verschreibungspflicht nicht zu Lasten der Kasse abgegeben werden können. Somit besteht nun auch für das schlaffördernde Medikament ein Verordnungsausschluss.

Kein Melatonin auf Kassenrezept – das steht nach der Aufnahme des Wirkstoffes in die Anlage II der AM-RL fest. Nach dem Abschnitt „Verbesserung des Aussehens“ wird ein neuer Abschnitt „Durch die Lebensführung bedingte, kurzzeitige nichtorganische Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus“ angefügt. Dieser Abschnitt enthält aktuell nur den Wirkstoff Melatonin mit dem Fertigarzneimittel Melatonin Vitabalans von Blanco Pharma.

Rund ein Drittel der Deutschen leidet mindestens dreimal pro Woche an Schlafproblemen, knapp 10 Prozent besitzen behandlungsbedürftige Insomnien mit einer Chronifizierungsneigung – Tendenz steigend. Der Bedarf an einschlaf- oder durchschlaffördernden Mitteln ist also groß. Eigentlich wird von der medizinischen S3-Leitlinie Insomnie als Mittel der Wahl die Verhaltenstherapie empfohlen, doch die meisten Betroffenen greifen zu Tabletten, Kapseln oder Sprays. Noch relativ neu im OTC-Segment ist das Hormon Melatonin. Der Stoff zählt zu den Neurotransmittern und beeinflusst den Schlaf-Wach-Rhythmus. Auch im Rx-Bereich ist Melatonin verfügbar. Dann jedoch höher dosiert mit 3 mg oder 5 mg.

Lediglich Förderung der Lebensqualität

Es gibt keine ausreichenden evidenzbasierte Wirksamkeitsdaten, dass Melatonin oral einen positiven Einfluss auf das Schlafvermögen bei moderaten Schlafstörungen hat. Die Erstattungsfähigkeit seitens der GKV ist damit nicht gegeben. In der Stellungnahme zu Melatonin wies der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereits 2019 darauf hin, dass Menschen mit einer zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung zu ungünstigen Zeiten einschlafen und nicht dann einschlafen oder aufwachen, wenn sie müssen oder möchten. „Neben inneren Ursachen, wie zum Beispiel Kopfverletzungen, können auch äußere Faktoren, zum Beispiel längere Flugreisen, zu einer zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung führen.

Jetlag, das einzige zugelassene Anwendungsgebiet des Arzneimittels „Melatonin Vitabalans“, wird vor allem von Flugreisen, die über mehr als zwei Zeitzonen gehen, verursacht. Da die Symptome nach einigen Tagen von alleine abklingen, ist eine medizinische Behandlung aus Sicht des Ausschusses nicht notwendig. „Zusammenfassend sind die Symptome des Jetlags also exogen ausgelöst. Insoweit handelt es sich jeweils um Maßnahmen zur Förderung der Lebensqualität, die vorübergehend eingesetzt werden. Dadurch erfüllt dieses Arzneimittel im vorliegenden Anwendungsgebiet hinsichtlich der Zweckbestimmung das Kriterium einer Anwendung bedingt durch private Lebensführung und dient zugleich zur individuellen Bedürfnisbefriedigung (§14 Absatz1 Satz2 Nummer2, 1. Alternative AM-RL). Die Beseitigung fällt in diesen Fällen primär in die Eigenverantwortung der Betroffenen.“

Ausnahme: Das Melatonin-haltige Präparat Slenyto (Infectopharm), das bei Insomnie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) eingesetzt wird, ist nicht in der Anlage gelistet und kann weiterhin verordnet werden.