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Retaxstreit gelöst: Retaxomat Alexander Müller, 12.03.2016 07:59 Uhr

Berlin - 

Das Retax-Thema nahm allmählich überhand. Die Kassen beschäftigten inzwischen mehr Mitarbeiter zum Beantworten der Widersprüche als Sachbearbeiter und fast in jeder Woche gab es Gerichtstermine. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband kamen in den Verhandlungen vor der Schiedsstelle seit Jahren nicht weiter. Doch jetzt ist die Lösung gefunden: Der Retaxomat.

Vor jeder Geschäftsstelle der Kassen sowie vor ausgewählten Apotheken steht demnächst ein Retaxomat. Fünf Prototypen sind schon im Test – mit vielversprechenden Ergebnissen. Zweifelt ein Apotheker die Retaxation an, kann er das betroffene Image direkt an den Retaxomat übertragen, weitere Unterlagen einlesen lassen und sogar Sprachnotizen hinterlassen.

Der Retaxomat prüft Beanstandung und Widerspruch – vollautomatisch, aber nicht rein formalistisch. Die Software „Adequate“ entscheidet aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten, rechtlicher Vorgaben und moralischer Standpunkte, ob die Retaxation angemessen ist. Dann verkündet Dr. Rainer Hess – er hat dem Retaxomaten seine Stimme geliehen – das Ergebnis. Dies ist von keiner Seite anfechtbar. Besonders praktisch: Bekommt der Apotheker recht, kann er sich den retaxierten Betrag gleich am Automaten auszahlen lassen. In weniger günstigen Fällen kann man sich einen Insolvenzantrag ausdrucken – die Stammdaten der Apotheke sind dann praktischerweise schon eingetragen.

Die Macher sind zufrieden. Bei einem Testlauf hatte der Retaxomat innerhalb weniger Minuten erkannt, dass fünf Retaxationen der DAK zu T-Rezepten unberechtigt waren. Der Apotheker hätte 37.563,05 Euro cashen können – oder in diesem Fall die sicherere Variante der Überweisung wählen können. Im richtigen Leben hat das Sozialgericht Hannover für diese Erkenntnis fast fünf Jahre benötigt – und die Sache ist noch immer nicht ausgestanden.

Die DAK testet anscheinend auch aus, wie weit sie mit ihren Retaxationen gehen kann. In diesem Fall wurde beanstandet, dass der Arzt auf dem Rezept nicht quittiert hatte, dass er der 70-jährigen Patientin die Informationsbroschüren über die keimschädigende Wirkung von Lenalidomid ausgehändigt hatte. Der Arzt kannte die Patientin, der Apotheker auch – es war seine Tante. Zwar hätte der Arzt die Broschüre auch aus Sicht der Kasse „natürlich“ nicht bei jeder Verordnung wirklich übergeben müssen, aber die Erstabgabe müsse bei jeder Folgeverordnung dokumentiert werden. Das ist wirklich einleuchtend.

Das sah das SG Hannover anders: Das zweite Feld für das Kreuzchen auf dem T-Rezept sei vollkommen überflüssig, das sehe sogar das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) so. Hat das Urteil Bestand, muss die DAK dem Apotheker zusätzlich 5 Prozent Zinsen zahlen – und die Retaxationen begannen 2009.

Bis jetzt können sich die Kassen zwar auf das Bundessozialgericht verlassen, das noch jede absurde Retaxation durchgewinkt hat. Trotdem wird man bei der Hamburger Kasse etwas schmallippig beim Thema Nullretax: „Die DAK-Gesundheit wird das von Ihnen genannte Urteil des SG Hannover in der üblichen Frist prüfen. Eine öffentliche Bewertung gibt es nicht.“

Ebenfalls wohl nicht öffentlich vorgenommen wird die Bewertung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Immerhin ist jetzt bekannt geworden, wen das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) mit der Berechnung des Apothekenhonorars beauftragt hat: die Firma 2hm aus Mainz. Was das Ministerium überzeugt hat: Die hatten noch nie etwas mit Apotheken zu tun. Aber keine Angst, bei Unternehmensberatern gehört Branchenferne zum Geschäftsmodell.

Ihren Beruf von der Pike auf gelernt hat dagegen Denise Jenzen. Die PTA hat 2012 ein Pharmaziestudium in Greifwald begonnen – ohne Abitur. Sie ließ sich von nichts abhalten, machte am Institut Aufnahmetests mit Küchenfragen und schrieb einen Aufsatz über Ex-Minister zu Guttenberg. Jetzt büffelt sie für jeden Schein und arbeitet in den Semesterferien in der Apotheke. Das Ziel: eine eigene Apotheke. Die Motivation: „Ich mag es, wenn Kunden zu mir kommen und sich bedanken, weil ich ihnen helfen konnte.“

Eine Kollegin von ihr hat auch Karriere gemacht, aber ganz anders: PTA Franziska Kramer ist POS-Beraterin. Sie unterstützt Apotheken im Auftrag von Herstellern bei Produkten und der Sichtwahlanordnung. Sie empfiehlt Kollegen, sich weiterzubilden und ist selbst wohl einer der bestausgebildeten PTA der Republik.

Andere haben in der Pharmaindustrie Karriere gemacht – und zwar so richtig. Dr. Angelika Weinländer-Mölders, ehemalige Geschäftsführerin bei Caelo, kam die Idee zu einem Buch. In „21 Erfolgsfrauen: 21 Karriereformeln“ gibt sie mit 20 weiteren Managerinnen Tipps für den beruflichen Aufstieg. Denn in den Chefetagen großer Konzerne ist der Frauenanteil immer noch beschämend gering.

Einen Berufswechsel mit Quereinstieg versuchen manche Hersteller: Sie wollen selbst Apotheke werden und erweitern ihre Angebote entsprechend. Begehrlichkeiten gibt es bei vielen Playern und die Hersteller hätten mehr Spielraum als gemeinhin angenommen. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt Professor Dr. Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Managed Care (BMC), wann und warum der Selektivvertrag die freie Apothekenwahl sticht. Frei geführt ist dagegen das Interview mit Sascha Lobo, auch wenn das offenbar Einigen Angst macht.

Was wirklich etwas bedrohlich wirkt, ist eine Entscheidung des OLG Karlsruhe zu Prokura in Apotheken. Aus Sicht der Richter kann ein sorgfältig ausgewählter Prokurist nämlich auch nicht mehr Schaden anrichten als eine nichtbestausgebildete PTA mit Vollmacht. Mag sein, aber die Frage des Fremdbesitzverbots kreist über diesem Verfahren, weshalb die Apothekerkammer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt hat.

Während sich die sogenannte Rabattschlacht der Großhändler punktuell entfaltet, hat sich die Österreichische Post bei Trans-o-flex aus dem Markt verabschiedet. Das Unternehmen geht zurück an die alten Eigentümer. Bei AEP ist man wegen der Entwicklung offiziell unbesorgt.

Andere Sorgen hat Konkurrent Gehe: Der Stuttgarter Großhändler wird nicht mehr von Jenapharm beliefert, weil er dessen neuen und schlechteren Konditionen nicht akzeptieren will. Es geht Gehe vielleicht gar nicht nur um die Pillen von Jenapharm – Bayer könnte den Skontostreit ja auch als Test nutzen. Gehe Verhütungsmittel: Zu alten Konditionen bestellen, die Kunden über den Vorfall informieren – und nicht nur die Eigenmarkenvorzeigeapotheken, für die es Extrarabatte gibt.

Und falls Sie jetzt noch Lust auf ein bisschen Posse haben: Den Zebrastreifen vor der Tür könnte ein Apotheker aus Biberach laut Ordnungsamt behalten, wenn er die Apotheke abrisse. Dann wäre der Überweg nämlich einsehbar und sicher. Das ist sicher einsehbar für den Apotheker. Einem Kollegen in Österreich geht es nicht besser. Wegen seiner Scheidung fehlt ihm jetzt nicht nur die Frau, sondern auch seine alte Anschrift. Und da ist die Bedarfsplanung im Alpenstaat eisern: Keine Adresse, keine Apotheke. Schönes Wochenende!