Marktüberblick Magenmittel

YamatoGast: Pohl-Boskamp bringt Iberogast-Konkurrenz Carolin Ciulli, 29.07.2019 10:21 Uhr

Berlin - 

In den Markt für pflanzliche Magenmittel kommt Bewegung: Pohl-Boskamp steigt erstmals in den Bereich Gastroenterologie ein: YamatoGast ist ein neues Phytopräparat des Familienunternehmens aus Schleswig-Holstein. Das traditionelle Arzneimittel enthält eine Kombination aus acht Arzneipflanzen und macht Iberogast von Bayer Konkurrenz.

Pohl-Boskamp geht in die Offensive wirbt unter anderem damit, dass YamatoGast kein Schöllkraut enthält. Die Tabletten kommen dagegen mit einem Wirkstoff aus acht verschiedenen ostasiatischen Pflanzen daher: Der Trockenextrakt enthält eine Mischung von Ginsengwurzelstock, Atractylodes-japonica-Wurzelstock, Poria-Fruchtkörper, Pinellia-Rhizom, Citrus Unshiu Fruchtschale, Jujube-Früchte, Süßholzwurzel und Ingwerwurzelstock. Eine Tablette hat einen Wirkstoffgehalt von 265 mg. Allerdings weist auch Pohl-Boskmap darauf hin, das Patienten mit einer bekannten Lebererkrankung das Präparat nicht verwenden sollen.

Das apothekenexklusive Produkte soll zur Linderung von leichten Magen-Darm-Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Unwohlsein, Völlegefühl und Blähungen angewendet werden. Die Tabletten sind ausschließlich auf Grund langjähriger Anwendung und Erfahrung im Anwendungsgebiet zugelassen. Die Rezeptur stammt aus Japan und wird dort seit Jahrhunderten im Rahmen der Kampo-Medizin verwendet.

Die Kombination wird in Asien laut Firmenangaben unter der Bezeichnung Rikkunshito eingesetzt. Beim Packungsdesign orientiert sich Pohl-Boskamp an der Herkunft des Produkts. Auf der weißen Verpackung sind japanische Schriftzeichen, Heilpflanzen sowie Fantaschale und Pistill abgebildet. In der Kampagne wird eine weiße Origamitaube verwendet, die im Schnabel eine Jujube-Frucht (Ziziphus jujuba) trägt. Die rote Steinfrucht wird auch Chinesische Dattel genannt. Den Früchten wird eine verdauungskräftigende und lebensverlängernde Wirkung zugeschrieben.

Pohl-Boskamp wagt sich mit YamatoGast in ein noch fremdes Indikationsgebiet. Bislang war das Unternehmen mit Sitz in Hohenlockstedt unter anderem mit der Gelo-Serie und Marken wie GeloMyrtol Forte und GeloProsed sowie GeloRevoice vor allem auf den Erkältungs-, Hals und Atemwegsbereich fokussiert. Weitere Marken des Herstellers sind Nyda bei Läusen, Loyon bei schuppigen Hauterkrankungen und das Rx-Arzneimittel Nitrolingual Spray akut. Seit Ende 2017 können Apotheken auch Cannabisblüten bei Pohl-Boskamp bestellen.

YamatoGast sei eine wundervolle Bereicherung für das Portfolio, sagt Marketingleiter Reinhard Borowski. „Pohl-Boskamp steht für spürbar wirksame Medikamente in verschiedenen relevanten Indikationsbereichen. Somit passt das Produkt sehr gut in unser bestehendes Portfolio.“ Für Patienten mit leichten Magen-Darm-Beschwerden stelle YamatoGast auch in Deutschland eine „herausragende Therapieoption“ dar.

Magen-Darm-Beschwerden seien gerade in der heutigen Zeit ein wichtiges Thema – viele Patienten verspürten einen hohen Leidensdruck, so Borowski. „Wir sehen in diesem Teilmarkt mehr oder weniger etablierte Produktkonzepte mit gewissen Stärken und Schwächen.“ Das eigene Arzneimittel ist in Einzeldosen zu je drei Filmtabletten abgepackt. Empfohlen werden täglich dreimal drei Filmtabletten. Die Einnahme von neun Tabletten täglich kann als Nachteil gegenüber der Tropfenvariante gesehen werden, dafür sind Tabletten auch unterwegs leichter anzuwenden. Das Präparat kann ab einem Alter von 18 Jahren eingenommen werden, aber nicht länger als zwei Wochen.

Der Markt für pflanzliche Magentherapeutika wird klar von Iberogast dominiert. Die Tropfen kommen auf rund 80 Prozent Marktanteil mit rund 9 Millionen verkauften Packungen in 2018. Nach Absatz folgen Carmenthin (Schwabe) mit Pfefferminz- und Kümmelöl und rund 440.000 Packungen, Luvos (Heilerde-Gesellschaft Luvos Just, 401.000 Packungen), Gasteo mit Gänsefingerkraut, Wermut, Benediktenkraut, Angelikawurzel, Süßholz und Kamille (Niehaus Pharma, 278.000 Packungen) und Myrrhinil-Intest mit Myrrhe, Kaffeekohle und Kamille (Repha, 241.000 Packungen).

Weitere Produkte sind Pascoventral von Pascoe mit Pfefferminze, Kamille und Kümmel, Payagastron (Weber&Weber) mit Wermut, Ostindischer Tintenbaum und Brechnuss, Carvomin (Klinge) mit Angelikawurzel, Benediktenkraut und Pfefferminze oder Dreierlei Tropfen (Hofmann & Sommer) mit Baldriantinktur, Etherweingeist und Minzöl. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Iqvia rund 11 Millionen Packungen verkauft und mit pflanzlichen Magentherapeutika rund 146 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) umgesetzt.

Konkurrent Bayer ist mit seinem Produkt Iberogast zuletzt wieder in unruhiges Fahrwasser geraten. Das Handelsblatt hatte berichtet, dass die Staatsanwaltschaft im Umfeld des Konzerns ermittelt. Sie soll ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, um einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Magenmittel und einem Todesfall zu ermitteln. Bayer hat nach eigenen Angaben erst aus der Presse davon erfahren. Der Konzern betont in einer Stellungnahme an die Apotheken, dass Iberogast bei richtiger Anwendung ein absolut sicheres Arzneimittel sei.

Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) waren seit 2008 Meldungen zu unerwünschten Nebenwirkungen, insbesondere Leberschäden, in Zusammenhang mit Schöllkraut-haltigen Arzneimitteln aufgenommen worden. Die Behörde hatte auch von Bayer wiederholt eine Anpassung der Warnhinweise für Iberogast verlangt. Bayer hatte dagegen zunächst Widerspruch eingelegt und auf die Studienlage zu seinem Präparat verwiesen. Ein im Juli 2018 bekannt gewordener zweiter Fall eines Leberversagens mit Lebertransplantation, der tödlich endete, machte die Umsetzung eines Warnhinweises für Iberogast unumgänglich.