ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Fiebersaft offiziell Luxusgut Alexander Müller, 19.11.2022 08:25 Uhr

Grafik: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

„Mensch Schober!“ „Schröder!“ Die alten Schulfreunde haben sich ewig nicht gesehen und treffen sich zufällig im Restaurant. Und wie das dann so ist – sofort beginnt der Hahnenkampf. Schröder geht es „blendend!“, er fühlt sich siegessicher, aber Schober hat noch ein ASS im Ärmel. Und ein ACC und richtig viel IBU.

Schröder holt selbstgefällig die Fotos aus der Innentasche seines Sakkos: Mein Haus! Mein Auto! Mein Boot!“ Schober zieht nach: „Mein Haus, mein Auto, mein Fiebersaft.“ Schröder wird blass. Schweißperlen treten auf seine Stirn. Vielleicht ist es das Fieber.

„Aber, aber, die Engpässe… Wie machst du das?“, stammelt Schröder. Schober legt liebevoll seine Kundenkarte auf den Tisch: „Mein Einnahmenberater in meiner Apotheke. Und was der nicht da hat, stellt er mir her.“ (Wer sich nicht an den Kultspot der Sparkasse aus den 90er-Jahren erinnert, findet ihn bei Youtube.)

Die Assoziation zum Luxusgut ist ja leider gar nicht so weit hergeholt. Als Goldstaub wurden die raren Fiebersäfte für Kinder schon bezeichnet. Und manches Apothekenteam beobachtet den gesellschaftlich beunruhigenden Trend, dass sich wohlhabende Eltern Privatrezepte für Rezepturen ausstellen lassen und die hergestellten Säfte aus eigener Tasche zahlen, während weniger Begüterte von Apotheke zu Apotheke tingeln, um noch eine Packung des Fertigarzneimittels zu ergattern.

Denn die Ärzt:innen werden mit Regressandrohungen eingeschüchtert: Rezepturen nur im absoluten Einzelfall verordnen, weil das viel zu teuer ist. Zu teuer für wen, ist die Frage. Und woher sollen die Praxisteams wissen, wann wo wieder Ware verfügbar ist? Da wirkt es fast wie Hohn, dass der Festbetrag für Paracetamolsaft um 18 Cent (!) angehoben wird. Fast wie ein Wunder erscheint dagegen das Sonderkontingent Nurofen, das die Großhändler Phoenix und Noweda plötzlich aufgetan haben. Maximal 120 Packungen pro Apotheke und Monat. Das ist ein Anfang.

Und die traurige Wahrheit ist: Die Menge pro Apotheke könnte jeden Monat steigen – weil es immer weniger Apotheken gibt. Am 17. November wurde erstmals der Apothekentrauertag begangen. Die Anlehnung an andere Gedenktage mag heikel sein, zeigt aber, wie ernst viele Inhaber:innen ihre Lage aktuell einschätzen.

Und mancher sucht in dieser Phase vielleicht sein Glück in der Partnerschaft mit einer Plattform oder Versandapotheke. Doch die Konstrukte sind teilweise rechtlich fragwürdig, da sind Feiertagsverstöße noch das Harmloseste. Die Apothekerkammer Nordrhein räumt traditionell mit solchen Auswüchsen auf und nimmt sich jetzt auch verstärkt des Themas „virtueller Fremdbesitz“ an. Die Ärzt:innen sind schon einen Schritt weiter und verkaufen ihre Praxis kurz vor dem Ruhestand beispielsweise an doktor.de.

Den Apotheken wurden neue Einnahmen versprochen, verbunden mit neuen Aufgaben. Die Krankenkassen waren noch nie Fans dieser „pharmazeutischen Dienstleistungen“. Aus ihrer Sicht ist mit dem Apothekenhonorar alles mehr als abgegolten. Während der GKV-Spitzenverband gegen den Schiedsspruch klagt (sic!), hat die AOK eine andere Idee: Die Kassen sollten die Medikationsanalyse einfach selbst übernehmen. Vielleicht sollte man sie das wirklich ein Jahr machen lassen und dann neu über die Preise verhandeln…

Wer jetzt schon Geld übrig hat, kann sich freuen: Die Apobank gibt wieder Zinsen aufs Tagesgeld, die Strafzinsen gehören der Vergangenheit an. So wie die meisten Vorstände der Genossenschaftsbank. Jetzt ist wieder einer weg. Im Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN verbreiten wir infame Gerüchte über die Bank, zwinker.

Hauptsächlich sprechen wir in der Episode aber über das E-Rezept und die Super-PIN. Denn die Gematik hat sich jetzt auf das eGK-Verfahren versteift. Mitte 2023 soll es so weit sein, also vermutlich Weihnachten nächstes Jahr. Und doch melden sich immer wieder Experten, die vorschlagen, das Ganze doch lieber komplett neu aufzusetzen. Ausgerechnet die Impfzertifikate könnten Vorbild sein.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scheint aber noch unentschlossen, wo er mit dem E-Rezept hinwill. Dafür hat sein Haus großzügig die Regelung für Bürgertests verlängert. Und wo er gerade dabei war, die Vergütung nochmal ein bisschen gekürzt: 6 statt 7 Euro für die Durchführung, respektive 3 statt 4 Euro für die anlassbezogenen Tests mit Eigenbeteiligung. Der Betrag für die Sachkosten sinkt von 2,50 auf 2 Euro. Ist aber nicht so schlimm, weil CDU-Nachwuchshoffnung Friedrich Merz die Pandemie spätestens im März 2023 für beendet erklären wird. Also halten Sie durch. Schönes Wochenende!