Hüffenhardt

DocMorris: Veto von Grünen-Minister Lothar Klein, 11.08.2016 10:11 Uhr

Berlin - 

Mehr als 30 Jahre versorgte die alte Brunnen-Apotheke die 2000 Einwohner der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt. Weil sich kein Nachfolger fand, will DocMorris dort einen Arzneimittelautomaten aufstellen. Die Renovierungs- und Umbauarbeiten laufen bereits. Nach der Sommerpause soll es losgehen. Jetzt aber kommt vom neuen Gesundheitsminister des Landes, Manfred „Manne“ Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), eine deutliche Absage: „Im vorliegenden Fall ist eher die Gefährdung bestehender und funktionierender Strukturen zu befürchten“, erklärte das baden-württembergische Sozialministerium gegenüber APOTHEKE ADHOC. Außerdem sieht das Haus von Lucha in Hüffenhardt keinen Versorgungsengpass.

Im Koalitionsvertrag hat sich die neue grün-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zwar den Ausbau der Telemedizin zum Ziel gesetzt. E-Health besitze gerade „in ländlichen Regionen gute Möglichkeiten, die medizinische Versorgung zu verbessern und erleichtern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Allerdings will sie „bewährte Versorgungsstrukturen“ im Gesundheitswesen wie Apotheken und Rettungsdienste erhalten.

Zum Ausbau der Telemedizin gehört für Lucha jedenfalls kein Arzneimittelautomat: „Eine automatisierte Arzneimittelabgabe wird, abgesehen von der Frage der Zu­lässigkeit, eher kritisch gesehen“, so das Ministerium gegenüber APOTHEKE ADHOC. Darunter leide der Kontakt zum Patienten. Gerade im direkten Patientenkontakt würden manche Fragen, beispielsweise zu Gegenanzeigen oder Neben- und Wechselwirkungen erst aufgeworfen. „Viele moderne Arzneimittel sind zudem erklärungsbedürftig“, so das Ministerium. Auch der Aspekt des persönlichen Gesprächs sollte nicht vernachlässigt werden – „eine Funktion, die ein automatisiertes System nicht erset­zen kann“.

Zudem sieht Luchas Sozialministerium in Hüffenhardt keine Versorgungslücke: „Aus Sicht des Ministeriums besteht in der Gemeinde Hüffenhardt kein Versorgungsengpass, da die nächstgelegenen Apotheken nur wenige Kilometer entfernt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind.“ Mittlerweile habe zudem eine Apotheke aus dem näheren Umkreis die Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle entsprechend § 24 Apothekenbetriebsordnung beantragt und erhalten.

Telemedizinische Systeme sind für Lucha dort sinnvoll, wo sie bestehende Lücken schließen oder Behandlungsstrukturen verbessern. „Im vorliegenden Fall ist eher die Gefährdung bestehender und funktionierender Strukturen zu befürchten“, so der Sozial- und Gesundheitsminister.

Falls ein solches automatisiertes System nur für „unkomplizierte Situationen“, in denen die benötigten Arzneimittel vor Ort bereit lägen, genutzt werde und „die Versorgung mit aufwändig herzustellenden Rezepturarzneimitteln, teuren Arzneimitteln oder ausführlichen Beratungsdienstleistungen dann doch in nahgelegenen Apotheken in Anspruch genommen werden müsse, „führt das zu einem ungleichen Wettbewerb“. Dadurch könnten möglicherweise noch weniger Apotheken wirtschaftlich betrieben werden als bisher. Lucha: „Am Ende dieser Entwicklung könnte ein wesentlich stärkeres Gefälle im Versorgungsniveau zwischen urbanen und ländlichen Gegenden bestehen, als es derzeit der Fall ist.“

Damit dürften die Hoffnungen von DocMorris geplatzt sein, bei der neuen Landesregierung auf größere Offenheit für die Aufstellung eines Arzneimittelautomaten zu stoßen. Schon die alte grün-rote Landesregierung stand dem Projekt skeptisch gegenüber. In einem Brief an Hüffenhardts Bürgermeister Walter Neff hatte Ministerialdirektor Jürgen Lämmle mit wortgleichen Formulierungen seine Ablehnung zum Ausdruck gebracht. „Eine automatisierte Arzneimittelabgabe sehe ich, abgesehen von der Frage der Zulässigkeit, eher kritisch.“

Gerade im direkten Patientenkontakt würden manche Fragen von Neben- und Wechselwirkungen erst aufgeworfen. Viele moderne Arzneimittel seien zudem erklärungsbedürftig. Lämmle: „Auch der Aspekt des persönlichen Gesprächs sollte nicht vernachlässigt werden – eine Funktion, die ein automatisiertes System niemals ersetzen kann.“ Offensichtlich stützt sich der neue grüne Gesundheitsminister Lucha auf die Expertise der bereits unter Amtsvorgängerin Katrin Altpeter (SPD) im Ministerium arbeitenden Ministerialbürokratie.

Zuständig für eine mögliche Genehmigung des DocMorris-Arzneimittelautomaten wäre allerdings nicht Sozialminister Lucha, sondern das Karlsruher Regierungspräsidium. Dort hält man sich mit Wertungen zurück: „Bislang liegt uns weder ein Antrag auf Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis, noch eine Anzeige nach § 67 AMG zum Handel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln oder sonstige Mitteilung einer etwaigen Geschäftstätigkeit vor.“

Um sich vor Ort ein Bild zu machen, schickte das Regierungspräsidium aber im Juli einen Mitarbeiter nach Hüffenhardt. „Bei einer Inaugenscheinnahme durch Herrn Hempelmann vergangenen Monat, konnte weder eine Geschäftstätigkeit noch Umbautätigkeit festgestellt werden. Daher wurden durch uns bislang keine Maßnahmen ergriffen“, teilte die Behörde gegenüber APOTHEKE ADHOC mit.