Landapotheken stärken, Geld für Dienstleistungen

Die Apothekenpläne der Ampel Patrick Hollstein, 24.10.2022 09:30 Uhr

Was plant die Ampel für den Apothekenmarkt? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll weit reichende Reformpläne aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Foto: IMAGO / Political-Moments
Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat, knapp ein Jahr im Amt, vor allem mit seinem Spargesetz für Aufmerksamkeit gesorgt. Jetzt will er weitere Themen angehen, die sich die Ampel auf die Fahne geschrieben hat. Dabei geht es um Cannabis und Digitalisierung, aber auch um eine Strukturreform. Auch für die Apotheken haben SPD, Grüne und FDP weit reichende Pläne.

Nach dem Spargesetz soll es eine Strukturreform geben. Spätestens im Mai will das BMG eine „Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ vorlegen, wie Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) kürzlich auf Nachfrage des CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger erklärte. Überraschend war aber die Ankündigung, dass „insbesondere auch die Ausgabenseite der GKV betrachtet werden soll“. Bis dahin waren viele Beobachter davon ausgegangen, dass es um eine Neuordnung der Finanzen gehen würde – Stichwort Beitragsbemessungsgrenze oder ALG-II-Empfänger.

Tatsächlich haben sich SPD, Grüne und FDP für das Gesundheitswesen viel vorgenommen. Das betrifft auch die Apotheken – auf Seite 66 im Koalitionsvertrag gibt es einen Absatz dazu.

ApBetrO flexibilisieren

„Die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessern wir durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung.“

Bereits im Vorfeld der Bundestagswahl hatten der heutige gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, im Kandidatencheck von APOTHEKE ADHOC angekündigt, dass seine Partei auf dem Land flexiblere Formen zulassen will, etwa in Gestalt eines gelockerten Mehrbesitzes oder der Zusammenarbeit mehrerer Apotheken. Notiz am Rande: Kathrin Vogler (Linke) kam überraschenderweise parallel mit einem ganz ähnlichen Vorschlag um die Ecke.

Nun hatten die Grünen schon 2019 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um nicht nur die Preisbildung, sondern den Markt insgesamt grundlegend zu reformieren. Federführend war damals Kordula Schulz-Asche, die in den Verhandlungsrunden zum Bereich Gesundheit ebenso dabei war wie Dahmen und Maria Klein-Schmeink. Vierter Vertreter der Grünen in den Gesprächen mit SPD und FDP war Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha.

Lucha wiederum könnte ein früherer Vorschlag der hiesigen AOK im Gedächtnis geblieben sein: Ebenfalls 2019 hatte sich die Kasse „für eine Lockerung der Apothekenbetriebsordnung und des Mehrbesitzverbotes in Regionen mit niedriger Apothekendichte“ ausgesprochen. „Damit können weitere sinnvolle Versorgungskonzepte realisiert und eine innovative Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten auf den Weg gebracht werden.“

Prämie für Landapotheken

„Wir entwickeln den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds weiter und schaffen eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung.“

Ein Sicherstellungszuschlag für Apotheken auf dem Land ist ein alter Vorschlag, der von anderen Leistungserbringern übertragen wurde und den sich schon zwei Ampel-Parteien bereits zu eigen gemacht haben: 2015 brachte die damalige NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) die Idee ins Spiel, zwei Jahre später ging auch die FDP damit hausieren.

Dabei ging es aber Grunde nie um die Stärkung der Apotheke an sich, sondern stets um einen Ausgleich für die damaligen Liberalisierungspläne. Die sind zwar sowohl bei FDP als auch bei den Grünen derzeit anscheinend vom Tisch. Trotzdem könnte eine solche Neuordnung weit reichende Folgen haben, zumal die Regeln dafür überhaupt erst einmal definiert werden müssten.

Honorarreform und Effizienzgewinne

„Wir novellieren das ‚Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken‘, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen.“

Das Apothekenhonorar wollen die Gesundheitsexpert:innen aller drei Parteien umgestalten, das geben sie ebenfalls schon seit Jahren zu Protokoll. Apotheken sollen nicht einfach mehr Geld bekommen; vielmehr soll Honorar umverteilt werden, damit große Apotheken nicht vom Packungshonorar profitieren, so die Devise. Dass man dabei auch noch ein paar Einsparungen einstreichen kann, versteht sich von selbst.

Hier dürften die beiden BMG-Staatssekretäre als erklärte „Honorar-Reformer“ ihre Handschrift hinterlassen wollen: Sowohl Dittmar als auch Professor Dr. Edgar Franke wollten schon 2017/18 im Zusammenhang mit der Diskussion über das 2hm-Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums Hand anlegen, verzichteten dann aber nur wegen ihres Koalitionspartners CDU/CSU darauf.

Schon im Koalitionsstreit um das Rx-Versandverbot hatten sie gemeinsam einen Reformvorschlag vorgelegt: Als Alternative hatten beide vorgeschlagen, Rx-Boni bis zu einem Euro für alle Apotheken zuzulassen. Die beiden Politiker bezogen sich auf das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Nach zwei Jahren sollte Bilanz gezogen und das Honorar auf neue Füße gestellt werden. Auch dazu kam es nicht.

Kassen in Lauerstellung

Die Kassen haben sich bereits in Stellung gebracht. Im Nachgang des 2hm-Gutachtens forderte etwa der GKV-Spitzenverband eine Kürzung des Apothekenhonorars um eine Milliarde Euro – verbunden mit der Forderung nach der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Zuletzt hat der BKK Dachverband die Debatte befeuert: Nicht nur sollte die prozentuale Marge bei 30 Euro gedeckelt werden, sondern auch das Fixum auf 5,84 Euro gekürzt werden. Genauso habe es ja schon im BMWi-Gutachten gestanden. Dass ausgerechnet die FDP die Idee in einer Prüfbitte an das BMG aufgegriffen hat, zeigt vor allem eines: Mit der Ampel werden sich die Apothekerinnen und Apotheker aktiv auseinandersetzen müssen. Einen Beschützer gibt es jedenfalls nicht.