Grippeimpfstoffe

BMG: Vorräte in Praxen und Apotheken APOTHEKE ADHOC, 27.10.2020 15:10 Uhr

Bestmöglicher Schutz: Das BMG bleibt bei seiner Haltung, dass es genügend Grippeimpfstoff gibt.
Berlin - 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bleibt dabei, dass es keinen Engpass bei Grippeimpfstoffen gibt. Nach wie vor gebe es Vorräte in Apotheken und bei Arztpraxen, ab November würden Millionen weitere Dosen ausgeliefert. Während das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Informationen über Engpässe analysiert, wirbt das BMG an zahlreichen Bushaltestellen mit Plakate für die Grippeimpfung.

„Wir rechnen damit, dass weitere Impfstoffdosen im Großhandel, in den Apotheken und in Arztpraxen lagern. Das sollte reichen, um die große Nachfrage nach Grippeimpfungen zu befriedigen“, erklärte ein BMG-Sprecher gegenüber der Schweriner Volkszeitung. Auf Nachfrage rechnet das BMG vor, dass in dieser Saison insgesamt 26,675 Millionen Dosen zur Verfügung stehen, inklusive der vom Bund beschafften Dosen. Bis KW 50 sollen demnach noch 7,4 Millionen Dosen ausgeliefert werden.

Tatsächlich hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zuletzt noch einmal 1,9 Millionen Dosen freigegeben, sodass insgesamt 22,3 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Wie viel davon auf die Reserve des Bundes entfällt, ist nicht bekannt. Während Seqirus nach eigenen Angaben bereits Ende September einen kleinen Teil des Sonderkontingents ausgeliefert hat, warten Firmen wie Sanofi noch auf Freigabe des BMG. Fakt ist aber, dass nur noch knapp 4,4 Millionen Dosen freigegeben werden können.

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) war geregelt worden, dass die Ärzte ihren Bedarf bis zum 15. Januar eines Jahres an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) melden, die diese Informationen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) weitergibt. Auf diese Menge wurden in diesem Jahr 30 Prozent aufgeschlagen, zusätzlich wurden sechs Millionen Dosen vom BMG bestellt. Die Verantwortlichen hoffen, dass die Rechnung am Ende aufgehen wird.

Allerdings ist das Problem nicht neu, dass es auch bei genügend hoher Gesamtzahl mancherorts zu Engpässen kommen kann. Bereits 2018 musste Spahn einen Versorgungsmangel ausrufen, um nicht nur den Import weiterer Dosen zu ermöglichen, sondern auch den Austausch zwischen Praxen und Apotheken untereinander zu ermöglichen. Offenbar hat sich in diesem Jahr trotz aller Erfahrungen und Planungen zur Anschaffung Reserve niemand Gedanken darüber gedacht, wie Verteilungsprobleme vorgebeugt werden kann. Im schlimmsten Fall muss Spahn in den kommenden Wochen einräumen, dass es einen Mangel gibt, auf den reagiert werden muss. Auch 2018 hatte er lange geleugnet, dass es Probleme bei der Auslieferung gibt.

Das PEI hat frühzeitig in dieser Saison Ärzte, Apotheker und Verbraucher dazu aufgerufen, Situationen zu melden, in denen Grippeimpfstoff nicht verfügbar ist. Beim Bundesinstitut registriert man viele Meldungen und Anfragen zu dem Thema, die aktuell ausgewertet werden. Derzeit versuche man, sich ein Bild über die Lage zu verschaffen: Gibt es tatsächlich einen Engpass? Gibt es lokale Verteilungsprobleme? Ist die Nachfrage in den ersten Wochen einfach nur besonders hoch?

Das Thema beschäftigt längst auch die großen Publikumsmedien: „Wird jetzt der Grippe-Impfstoff knapp?“, fragt die Bild-Zeitung. In der Corona-Krise wollten sich besonders viele Menschen gegen die Grippe impfen lassen. „Doch immer mehr Patienten hören derzeit von ihrem Arzt: Wir haben keinen Grippe-Impfstoff!“ Das PEI bestätigt gegenüber Bild, man erhalte Meldungen „aus der Bevölkerung und von medizinischen Fachkreisen, dass Grippe-Impfstoff teilweise nicht beziehbar ist".

„Ärzten geht Impfstoff gegen Grippe aus“, schreibt auch die Magdeburger Volksstimme. „Kurz nach Beginn der kühlen Jahreszeit
geht Arztpraxen im Land bereits der Grippeimpfstoff aus. Dabei raten Gesundheitsbehörden gerade in Corona-Zeiten dringend zur Impfung.“ Im Beitrag kommen zwei Ärzte zu Wort, die hunderte Dosen bestellt haben, aber entweder nicht alles erhalten haben oder gerade die letzten Einheiten verimpfen. „Schlampige Logistik“, lautet der Kommentar dazu. „Es ist wohl genügend da, ganz
offensichtlich jedoch an der falschen Stelle.“

Zu einer funktionierenden Logistik gehöre grundsätzlich mehr, als die benötigten Dinge einzukaufen. „Es ist auch dafür zu sorgen, dass sie beim Empfänger, in diesem Fall bei den Ärzten und schließlich bei uns allen, ankommen. Wer hat hier versagt? Man wartet förmlich auf Ausreden wie unerwartete coronabedingte Verzögerungen. Jetzt gilt es,
zuallererst die Impfstoff-Vorräte schnellstens auszuliefern – und dann herauszufinden, warum die Verteilung bislang nicht funktioniert hat. Hier muss es auch Konsequenzen geben – damit ein solches Desaster nicht noch einmal passiert.“

Derweil wirbt das BMG selbst in den Innenstädten für die Impfung: Gegen Corona gebe es noch keinen Impfstoff, gegen Grippe schon, heißt es auf zahlreichen Plakaten verbunden mit der Aufforderung, sich gegen Influenza impfen zu lassen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich kürzlich zur Verteilung des Grippeimpfstoffs geäußert und deutlich gemacht, dass die vorab vereinbarten Impfstoffmengen nicht zeitgleich, sondern nur in Teilmengen bereitgestellt würden. Die Apotheken sollen die teilweise bereits vorbestellte Ware ab Mitte November über die regulären Vertriebswege erhalten. Den Gesundheitsämtern wurde KW 47 genannt – wie sie an die Ware kommen, wurde ihnen noch nicht mitgeteilt.

Spahn hatte eingeräumt, dass es für den hochdosierten Impfstoff Fluzone (Sanofi-Aventis) für Menschen ab 65 Jahren noch kein Konzept gibt. Hier hat der Bund 500.000 Dosen bestellt. „Wir müssen noch den richtigen Weg finden, wie wir diesen zur Zielgruppe bringen.“

Derweil steuert Frankreich in Sachen Grippeimpfung ürbigens auf den schlimmsten Fall zu. Wie das Handelsblatt berichtet, hat Gesundheitsminister Olivier Véran nur 13 Millionen Einheiten bestellt – so viel, wie in den vergangenen Jahren bestellt wurde. Im April wurde diese Menge demnach noch einmal bestätigt. Auf Nachfrage hätten weder das Gesundheitsministerium noch die angeschlossenen Behörden Stellung genommen, so das Handelsblatt.

Stattdessen werden im Beitrag eine Ärztin sowie zwei Apotheker zitiert, die innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren und sich über die Kommunikation des Ministeriums ärgern: Erst seien ihnen empfohlen worden, den Impfstoff an alle zu verkaufen, die ihn haben wollen, und nicht nur an die älteren Menschen. Dann sei das Ministerium umgeschwenkt und habe die Apotheken angewiesen, die Impfung vorzugsweise an ältere Menschen abzugeben.