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Blutige Spuren im Schnee APOTHEKE ADHOC, 24.01.2015 08:50 Uhr

Berlin - 

Es war eine Winterwoche, grau in grau. Im Schneegestöber blieben nur die blutigen Spuren der Kassenbosse. Während DocMorris die Pfändung droht, huldigt die GKV dem freien Markt, Apotheken werden getestet und für schlecht befunden. Und aus dem Bundesgesundheitsministerium kommt noch nicht einmal nichts. Nur der Apothekerpräsident macht seinem Ärger Luft. Eine Woche, die Spuren hinterlässt. Und Fragen.

Es war schön in Schladming. Die Stimmung war super, die Österreicher und Schweizer waren auch da, jüngeres Publikum, wie geplant. Schladming ist das neue, bessere Davos. Und alle sind ganz schön glücklich gewesen. Mit sich selbst, den Themen, den Gästen, dem Schnee sowieso. Und auch das Perspektivpapier wurde endlich mal wieder besprochen. Alles schick.

Nur die doofen Medien-Heinis können mit guten Nachrichten und all der Pharmazeuten-Harmonie halt nichts anfangen. Und schnitzen sich ihre eigenen Nachrichten. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte mal wieder zum großen Beratungstest geblasen. Ein dutzend Apotheken wurden unter die Lupe genommen. Die Verbraucherzentrale aus NRW war auch dabei. Und dann wurden die – selbstverständlich schlechten Beratungsergebnisse – durch den öffentlich-rechtlichen Kanal geprügelt. In Funk und Fernsehen und auch mittels gezielter Medienarbeit, landeten die Ergebnisse beim Konsumenten. Und der durfte sich dann merken: Easy und DocMorris können auf niedrigem Niveau mithalten. Und die Versandapotheken waren zwar auch Mist, aber wenigstens billig. Am selben Tag kritisiert Professor Dr. Gerd Glaeske auch mal wieder was, diesmal weniger die Apotheken, dafür die von ihnen abgegebenen neuartigen Blutverdünner. Es mag schön sein im Schnee von Schladming, nur mit den harten, vereisten Schneebällen werfen die anderen. Und die Apotheker kassieren die Treffer.

Allein gelassen von der ABDA in Berlin, versuchten wenigstens die Apothekerorganisationen aus NRW ihr Bestes, um dem miesen Medienspektakel entgegenzuwirken. Doch das gelang leider nicht wirklich. Fakten versus Polemik – keine Chance. Während die alpine Höhenluft besonders den Präsidenten der Bundesapothekerkammer immer neue Perspektiven zum Perspektivpapier entlockte bis hin zu einer geschmeidigen AMTS-Honorarforderung, wurden die Daheimgebliebenen von der harten Realität eingeholt.

Apropos Realität: Davon ist der GKV-Spitzenverband soweit entfernt wie Rainer Calmund von der schlanken Linie. Die Aggro-Truppe unter Dr. Doris Pfeiffer fordert wie schon Jahr für Jahr und Jahr für Jahr zuvor die totale Liberalisierung des Apothekenmarktes. Fremd- und Mehrbesitz, Filialen ohne Apotheker, Ausbau des Versandhandels, weniger Kohle für mehr Leistung. Johann Magnus von und zu Stackelberg trug die Litanei feierlich zum Start in dieses Wochenende vor. Nicht überliefert ist, ob er das Vorgetragene ernsthaft glaubte. Aber es muss befürchtet werden. Das freundliche Hofieren und diplomatische Getue zwischen ABDA und den Kassen hat zu nichts geführt. Das merkte sogar ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Mehr als zwei Jahre im Amt und den Druck einiger Organisationen und der Apothekerbasis brauchte es, bis der Mann aus Leipzig nun endlich einmal Kontra gab. Öffentlich, klar, deutlich. Endlich. Aber wohl auch zu spät. Nach dieser Woche bleibt besonders der Eindruck: Mit den Apotheken kann man es machen. Und Schmidt bellt freitagnachmittags. Einsam und alleine. Und irgendwie dann doch viel zu spät. Wehret den Anfängen.

Denn auch das Lavieren rund um den allzu ruhigen Minister Gröhe scheint verfehlt. Das BMG findet, dass sich gerne viele Leute zu Themen wie EllaOne besprechen sollen. Nur allzu konkret, besonders bei Zeitplänen, soll es dann doch nicht werden. Immer noch gibt es keinen Plan bei der „Pille danach“, schon gar nicht hinsichtlich der Zeitschiene. Ein Trauerspiel, unter dem Frauen und Apotheken leiden. Wenige Tage nach den ersten Gesprächen zur EllaOne sickerte durch, dass seitens der Ärzte vorgeschlagen wurde, nur maximal eine Pille pro Patientin abgeben zu wollen. Klingt gut, ist aber nicht weniger realitätsfern als manches andere in dieser Woche. Schon mal was von Apotheken-Hopping gehört, liebe Ärzte? Ist so ähnlich wie Ärzte-Hopping...

Während Politik und Selbstverwaltung nach neuen, komplizierten Regelungen für EllaOne & Co. fahnden, haben die Gerichte anscheinend von einem anderen verwöhnten Player des Systems die Nase gestrichen voll. DocMorris hat bislang keine der vielen Strafzahlungen getilgt. 850.000 Euro stehen nun zu Buche, die das niederländische Unternehmen nicht an die Staatskasse überwiesen hat. Bürger und System werden an der Nase herumgeführt. Doch nun wird die Kohle eingetrieben. Der Kuckuck ist auf dem Weg nach Heerlen. Das ramponierte Image, das anscheinend nur noch von einigen Medien und den Kassen hochgehalten wird, droht nun gänzlich in den Abgrund zu stürzen.

Und doch schert das die Eigentümer herzlich wenig. Mit allen möglichen Tricks wird gearbeitet, um den Apotheken die Patienten weg- und damit die Butter vom Brot zu nehmen. Klar: Papierrezepte machen Versandapotheken im Rx-Bereich das Leben schwer. DocMorris-Mutter Zur Rose will das ändern und testet gemeinsam mit dem Schmerzzentrum Berlin, wie Verordnungen auf elektronischem Weg direkt an die Versandapotheke geschickt werden. Patienten können sich bei dem Pilotprojekt einschreiben und erhalten dann einen Bonus von einem Euro für jedes verordnete Arzneimittel. Bonus? Legal? Egal!

Gar nicht egal sollte Apotheken sein, was da derzeit im Großhandel abgeht. Denn in die nächste Runde geht der Kampf zwischen dem Großhändler AEP und der Wettbewerbszentrale. Die hatte den Marktneuling wegen seiner Skontopraxis abgemahnt. Doch AEP will sich nicht verbiegen lassen, vermutet wie manch anderer die Wettbewerber hinter der Attacke. Nun sollen die Gerichte entscheiden.

Vielleicht nicht tief, aber doch einen Absturz scheint Almased zu provozieren. Nachdem man lange mit der apothekenexklusiven Abnehmware Kunden einsammelte, dann sukzessive die Ware in den Mass Market entglitt, wird nun das Partnerprogramm gestrichen. Almased braucht die Apotheken anscheinend nicht mehr. Es gab schon andere, die ähnlich unterwegs waren.

Aufwand droht Apotheken demnächst in Sachen Buchhaltung. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte im Dezember entschieden, dass die Finanzämter bei der Betriebsprüfung von Apotheken weitgehende Zugriffsrechte haben. „Die Warenwirtschaft ist künftig komplett Teil der Buchhaltung“, so Steuerberater und Rechtsanwalt Stefan Kurth. Nun muss schon mal mit den Softwarehäusern ausgelotet werden, wie das Urteil in der Praxis umgesetzt wird.

Aber auch die kalten, dunklen Wintertage bieten lichte Momente. Es gibt die Idee, Arbeitnehmer könnten doch ihre Krankmeldungen in der Apotheke abliefern. Die müssten ja nach dem Arztbesuch ohnehin meistens dorthin.

Pause, kurz Luftholen. Und nicht länger drüber nachdenken. Stattdessen lieber: Ab ins Wochenende. Und die vergangene Woche einfach abhaken, ein Spaziergang durch den Schnee oder den Schneematsch wirkt da manchmal Wunder.