Versandapotheken

DocMorris: Stirbt der Bonus? Patrick Hollstein, 16.06.2017 10:06 Uhr

Berlin - 

Bonus kassieren, Zuzahlung abrechnen, Befreiung beantragen: Das kreative Quittieren bei DocMorris verschafft Patienten die Möglichkeit, sich der Eigenbeteiligung zu entziehen, bevor die gesetzliche Belastungsgrenze von 2 Prozent des Bruttoeinkommens tatsächlich erreicht wird. Normalerweise ist die Haltung der Kassen gegenüber der niederländischen Versandapotheke von Langmut geprägt – aber nur solange es nicht um eigene Interessen geht: DocMorris muss das Modell jetzt umstellen. Eine Gruppe von Apothekern aus Leipzig hofft, dass der Bonus damit tot ist – und überlegt, den GKV-Spitzenverband wegen Untätigkeit zu verklagen.

Im Auftrag mehrerer Apotheker hatte das Steuerbüro Hönig & Partner aus Leipzig den GKV-Spitzenverband bereits im November aufgefordert, DocMorris & Co. vom Rahmenvertrag auszuschließen. Weil die Antwort alles andere als zufriedenstellend war, wurden im März Beweise nachgereicht: DocMorris hatte einer Kundin eine Zuzahlungsquittung zur Vorlage an die Krankenkasse ausgestellt. Vom Kundenkonto der Frau war tatsächlich jedoch nur die Hälfte des Betrags abgebucht worden. Für Hönig & Partner ein klarer Fall von vorsätzlicher Täuschung.

Nun konnten die Kassen nicht anders, als der Sache auf den Grund zu gehen. Denn wer sich offensichtlich täuschen lässt, kann wegen Untreue zur Rechenschaft gezogen werden. Noch dazu hatte nach dem Landgericht Ravensburg (LG) auch das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) DocMorris wegen genau dieser Tricksereien verurteilt: Mit den Quittungen täusche die Versandapotheke Kassen und Fiskus.

Entsprechend kleinlaut kam daher die neue Antwort der Rechtsabteilung des GKV-Spitzenverbands daher: „Auch uns ist an einer transparenten Gestaltung der Quittungen […] gelegen“, heißt es im aktuellen Schreiben. Zwischenzeitlich habe man den aktuellen Sachstand weiter aufgeklärt: „DocMorris hat uns versichert, dass sie in Reaktion auf die Ausführungen des OLG Stuttgart die Rechnungspapiere derzeit in der Form anpasst, dass auf diesen künftig neben den Preisen für die einzelnen Produkte auch die geleistete Zuzahlung, die sonstigen Kundenvorteile (Boni) und der Zahlbetrag ausgewiesen werden.“ Aufgrund des „größeren Programmieraufwands“ sei die Umstellung im dritten Quartal geplant.

Laut Fabian Virkus, Rechtsanwalt bei Hönig & Partner, hat DocMorris damit nicht erstmals nur die Verstöße an sich eingeräumt, sondern auch zugegeben, die Kassen bislang belogen zu haben. Umso weniger sei zu verstehen, dass diese nach wie vor die Hände schützend über die Versandapotheke hielten und sich auf die lange Übergangszeit einließen. „Das ist nicht akzeptabel.“

„Falsche Quittungen auszustellen ist genauso strafrechtlich relevant wie der Betrieb eines Arzneimittelautomaten ohne Betriebserlaubnis“, sagt Virkus. Weil er die Sache so absurd findet, hat er Akteneinsicht beantragt. Die von ihm vertretenen Apotheker hätten einen Anspruch auf Einschreiten des Kassenverbands, immerhin sei dieser als Ordnungsbehörde einzustufen, so der Anwalt: „Der GKV-Spitzenverband hat nicht das Recht, sondern die Pflicht, Verstöße gegen den Rahmenvertrag zu ahnden. Wenn er dies unterlässt, besteht die Möglichkeit, ihn gerichtlich zum Handeln zu zwingen.“ Virkus räumt ein, dass es sich um eine theoretische Überlegung handelt und dass die Erfolgsaussichten ungewiss sind. „Das hat noch niemand probiert.“

Einstweilen freut er sich über den wichtigen Teilerfolg. Aus seiner Sicht sind die falschen Quittungen nämlich ein zentraler Bestandteil der Boni von DocMorris: „Für Chroniker ist das Modell nur attraktiv, wenn die Zuzahlungen verkürzt, gleichzeitig aber voll angerechnet werden“, sagt er. Das Konzept drohe nun zu scheitern, da es sich vor allem an einkommensschwache Menschen mit einem hohen Bedarf an Arzneimitteln richte. Theoretisch gebe es zwar die Möglichkeit, die gewährten Boni bei Käufen im Rahmen der Selbstmedikation zu nutzen. Wirklich interessant sei aber nur der Sofortrabatt. „Das Modell fällt in sich zusammen“, so Virkus.

Hönig & Partner hatte Ende vergangenen Jahres den GKV-Spitzenverband angeschrieben und in einem Rechtsgutachten dargelegt, warum Rx-Boni als „gröbliche und wegen ihres fortdauernden Einsatzes auch als wiederholte Verstöße gegen Rahmenvertrag“ zu sehen und Versender wie DocMorris daher von der Versorgung deutscher Kassenpatienten auszuschließen sind.

Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, sah der GKV-Spitzenverband keine Veranlassung für Sanktionen: Nach dem EuGH-Urteil sei auch der Rahmenvertrag „europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass im EU-Ausland ansässige Apotheken im grenzüberschreitenden Versandhandel Boni gewähren dürfen“.

Die Initiative wird mittlerweile rund 180 Apothekern mit rund 250 Apotheken unterstützt, außerdem von der Kooperationen Migasa und den Guten-Tag-Apotheken von Elac Elysée sowie der Beratungsfirma Bade Consulting.