AVWL will Selbstverwaltung stärken

Rochell: Diktat der Kassen brechen APOTHEKE ADHOC, 10.11.2022 14:24 Uhr

Der AVWL-Vorsitzende Thomas Rochell warnt vor einer zu großen finanziellen Belastung der Apotheken. Foto: AVWL
Berlin - 

Die Krankenkassen haben aus Sicht des Vorsitzenden des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), Thomas Rochell, zu viel Macht. Sie verweigerten sich Kompromissen und versuchten, „die Bedingungen der Versorgung zu diktieren“. Bei der Mitgliederversammlung des AVWL forderte er von der Politik, die Macht der Kassen zu begrenzen. Beim leidigen Thema Gedisa fühlt sich der AVWL-Vorstand in seiner Haltung bestätigt.

Die überbordende Bürokratie, teils willkürliche Regressforderungen der Krankenkassen sowie hohe Zusatzaufwände durch Lieferengpässe machen laut Rochell den Apotheken zu schaffen. „Dagegen muss die Politik dringend vorgehen.“ Die Politik müsse das Kräftegleichgewicht zwischen Krankenkassen und Apotheken neu austarieren, wenn sie weiterhin hinter der Idee der Selbstverwaltung als eine der tragenden Säulen des Gesundheitssystems stehe.

Derzeit würde vielfach weder auf Augenhöhe verhandelt noch würden in diesen Verhandlungen Kompromisse gefunden, so Rochell. Die Krankenkassen versuchten vielmehr, die Bedingungen einer Versorgung zu diktieren. Das hätten zuletzt etwa die Gespräche zur Inko-Versorgung gezeigt. Immer häufiger müsse die Schiedsstelle eingeschaltet werden, da keinerlei Kompromissbereitschaft seitens der Krankenkassen bestünde.

Rochel kritisierte auch die zwischenzeitlich beschlossene Erhöhung des Kassenabschlags zum Jahreswechsel und warnte dringend davor, die Betriebe weiteren wirtschaftlichen Zumutungen auszusetzen. Nach neun Jahren ohne Inflationsausgleich und steigenden Kosten, gerieten viele Apotheken die stark steigenden Energiepreise und die dramatische Geldentwertung massiv unter Druck. Viele Apotheken seien jetzt in ihrer wirtschaftliche Existenz gefährdet.

Die gezielten Nadelstiche, die Politik und Kassen seit Jahren setzten, würden in Verbindung mit drei anstrengenden Corona-Jahren die Apothekeninhaberinnen und -inhaber mürbe machen, so Rochell. Noch nie habe er eine so trübe Stimmung im Berufsstand erlebt wie derzeit.

Gedisa: Kein neuer Anlauf

Die Kolleg:innen sollten sich trotz allem auf die Möglichkeiten konzentrieren – pharmazeutische Dienstleistungen, Impfungen und neue digitale Dienstleistungen. Für letztere verzichtet der AVWL weiter auf eine direkte Beteiligung an der Digitalgesellschaft Gedisa. Die Mitglieder können in einer Rahmenvereinbarung zwischen zwei Leistungspaketen wählen. In welchem Umfang das jeweils in Anspruch genommen wird, konnte Rochell auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC nicht sagen. Es handele sich um direkte Verträge der Inhaber:innen mit der Gedisa.

Der AVWL hatte sich in einer Mitgliederversammlung gegen eine Beteiligung entschieden, auf Empfehlung des Vorstands, dem die Leistungen der Digitalgesellschaft zu vage umrissen waren, gerade angesichts der erheblichen geforderten Finanzmittel. Da die Bedeutung der Plattform durch die jüngsten Entwicklungen beim E-Rezept eher kleiner geworden ist, kann sich der AVWL in seinem Sonderweg bestätigt fühlen. Das sehen offenbar auch die Mitglieder so: Einen neuerlichen Anlauf, komplett bei Gedisa einzusteigen, gab es nicht.

Eine Personalie beim AVWL gab es auch noch: Jens Kosmiky, Inhaber von vier Apotheken im Kreis Herford, wurde neu in den Vorstand gewählt. Er folgt auf Jörg Pesch, der sein Amt aus persönlichen Gründen niederlegt.