Null-Retaxationen

Retax-Deal: KKH fühlt sich bestätigt Alexander Müller, 25.05.2016 13:13 Uhr

Berlin - 

Der Retax-Deal ist unter Dach und Fach, ab Juni sollen die neuen Regeln für die Abrechnung gelten. Apotheker erhalten damit die Möglichkeit, formelle Fehler einfacher selbst zu beheben. Ist das Rezept aber erst einmal bei der Kasse, ist es nach wie vor zu spät, um korrigierend einzugreifen – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) fühlt sich von der Entscheidung im Schiedsverfahren daher in ihrem bisherigen Vorgehen bestätigt.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband haben sich am Montag auf die neuen Retax-Regeln verständigt. Demnach dürfen die Apotheker viele formelle Fehler, die bislang zu Retaxationen führten, nach Rücksprache mit dem Arzt künftig selbst heilen. Bei unbedeutenden Formfehlern wie einer fehlenden Telefonnummer der Praxis soll es gar keine Retaxationen mehr geben.

Verwendet eine Apotheke eine Sonder-PZN bei der Abgabe, kann die Begründung im Zweifel auch nachgereicht und die Absetzung damit vermieden werden. Ansonsten gilt aber weitestgehend, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist, sobald das Rezept zur Abrechnung an die Kasse geschickt wurde.

Die KKH begrüßt den gefundenen Kompromiss zwischen den beiden Parteien auch aus diesem Grund: „Mit der Vereinbarung wurde die bisherige Vorgehensweise der KKH bei Retaxationen bestätigt. Eine Korrektur durch die Apotheke ist so lange möglich, wie sich das Rezept noch physisch in der Apotheke beziehungsweise dem Rechenzentrum befindet. Danach nur noch in sehr beschränkten Einzelfällen unter Vorlage von entsprechender Dokumentation“, so eine Sprecherin.

Apotheker Sven Seißelberg, bei der KKH in der Abteilung Arzneimittelmanagement für die Rezeptkontrolle zuständig, hatte gegenüber APOTHEKE ADHOC Anfang Mai ausführlich geschildert, wie und warum die Kasse Rezepte beanstandet.

Zur Frage der Heilung von Formfehlern hatte Seißelberg die Auffassung der KKH so dargestellt: „Die Apotheken können Fehler vor der Abrechnung selbst beheben. Sofern die Korrektur keinen manipulativen Charakter hat – denken Sie an die berühmte 'Rubbelretax' –, ist das auch in Ordnung. Ich kenne die abendliche Rezeptkontrolle noch aus meiner Zeit in der Apotheke. Der magische Punkt ist, wenn das Rezept an die Krankenkasse geschickt wird.“

Die KKH hat in einer ersten Stellungnahme zur Retax-Vereinbarung noch einen anderen Punkt hervorgehoben: „Besonders begrüßen wir die nochmalige Klarstellung des Verhältnis von Original- zu Importarzneimitteln in Bezug auf die Aut-idem-Kennzeichnung, die ja bereits im VDEK-Arzneiliefervertrag seit einiger Zeit in gleicher Weise erfolgt ist“, so die Sprecherin.

DAV und GKV-Spitzenverband haben sich darauf verständigt, dass Apotheken Original und Import auch bei gesetztem Aut-idem-Kreuz substituieren dürfen. Dasselbe gilt für namentlich verordnete Arzneimittel, solange das abgegebene nicht teurer ist. Ein anders lautendes Urteil des Sozialgerichts Koblenz zu Importen wird nicht angewendet. Mit dem VDEK hatte sich der DAV schon zuvor auf diese Lesart verständigt.

Welche Auswirkungen der Retax-Deal in der Praxis haben wird, bleibt abzuwarten. Die Heilung von Rezeptfehlern wird zwar erleichtert, ein Risiko bleibt aber: Retaxiert eine Kasse einen formellen Fehler, der zuvor weder in der Apotheke noch im Rechenzentrum aufgefallen ist, gibt es keine Möglichkeit der Heilung. Weil die Beanstandungen der Kassen immer erst Monate nach der Einreichung der Rezepte an die Apotheken verschickt werden, drohen bei Wiederholungsfehlern also auch künftig schmerzhafte Retaxationen.

Einige Kassen haben sich in der Vergangenheit offenbar fast einen Sport daraus gemacht, neue Fehler bei der Abrechnung aufzudecken und zu beanstanden. Diese wurden dann in regelrechten Wellen retaxiert. Entsprechend vorsichtig klingt auch die Erwartungshaltung der Verhandlungspartner. In einer gemeinsamen Erklärung hatten DAV und GKV-Spitzenverband nach erfolgtem Kompromiss verkündet: „Beide Verbände gehen davon aus, dass die neuen Regeln unterschiedlichen Interpretationen besser vorbeugen.“