Impfstoff-Rabattverträge

Hersteller lassen AOK sitzen Alexander Müller, 20.05.2014 09:30 Uhr

„Unverantwortliche Rabattverträge“: Baxter bietet bei der Ausschreibung der AOK Baden-Württemberg zu FSME-Impfstoffen nicht mit.
Berlin - 

Die AOK Baden-Württemberg wird vermutlich keine Rabattverträge über Impfstoffe gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Meningokokken C abschließen. Nachdem Novartis bereits angekündigt hatte, kein Gebot abzugeben, hat gestern auch Baxter die Angebotsfrist verstreichen lassen. Andere Hersteller für die Vakzine sind in Deutschland nicht zugelassen.

Baxter lehne eine Beteiligung an der Ausschreibung ab, teilte der Hersteller mit: „Unter Versorgungsgesichtspunkten hält der Konzern Rabattverträge im Impfstoffbereich mit nur wenigen Herstellern für unverantwortlich.“ Solche Ausschreibungen begünstigten Lieferengpässe, da die Hersteller nur für die gewonnenen Lose entsprechende Impfstoffmengen planten.

Bei biologischen Wirkstoffen komme es im Gegensatz zur Herstellung von chemischen Wirkstoffen häufiger zu Produktionsausfällen, so Baxter. Die Wettbewerber könnten etwaige Lieferengpässen nicht ausreichend kompensieren. Denn die Herstellung sei ein hochkomplexer und langwieriger Prozess mit sehr hohen Qualitätsstandards.

Baxter ist aktuell Rabattpartner der AOK in den Regionen Nord- und Südwürttemberg. Die Vereinbarungen laufen Ende des Jahres aus. Auch in dieser Rabattrunde hatte es Probleme gegeben: Novartis hatte die Losgebiete Nord- und Südbaden gewonnen, konnte aber über mehrere Monate seinen FSME-Impfstoff Encepur nicht voll liefern.

Baxter musste daraufhin einspringen. Der Konzern traf eine Zusatzvereinbarung mit der AOK, um mit FSME-Immun auch die Losgebiete von Novartis beliefern zu dürfen. Engpässe seien damals nur durch die Rückholung von Impfstoffen aus anderen europäischen Ländern verhindert worden, so Baxter.

In der Politik ist die Problematik präsent: Morgen wird bei der Anhörung zum GKV-Finanzstrukturgesetz ein Änderungsantrag der Regierungsfraktionen besprochen, der die Auflagen für Ausschreibungen verschärfen soll: Union und SPD wollen die Krankenkassen zwingen, bei Impfstoffen nur noch Verträge mit mindestens zwei Herstellern zu schließen.

Baxter geht das nicht weit genug. Der Hersteller appelliert an den Gesetzgeber, Rabattverträge im Impfstoffbereich mit nur wenigen Herstellern grundlegend zu überdenken und im Sinne einer sicheren Patientenversorgung auf sie zu verzichten. Bis dahin sind die Hersteller offenbar gewillt, Ausschreibungen zu boykottieren, zumindest solange es nur wenige Hersteller gibt.

Eine FSME-Impfung wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) allen empfohlen, die in einem Risikogebiet wohnen oder dorthin reisen. Betroffen sind derzeit Regionen in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen. Die Impfung gegen Meningokokken C wird für alle Kinder im zweiten Lebensjahr empfohlen.

Die AOK wollte Verträge für zwei Jahre ab Januar 2015 schließen. Zum selben Zeitpunkt sucht die Kasse zudem Rabattpartner für Impfstoffe gegen Varizellen sowie Masern, Mumps, Röteln (MMR), den Vierfachimpfstoff gegen Diphterie, Pertussis, Poliomyelitis und Tetanus sowie den Fünffachimpfstoff gegen Diptherie, Haemophilus influenzae b, Pertussis, Polio und Tetanus. Grippeimpfstoffe sollen zum Juli 2015 neu vergeben werden.