DSGVO-Verstöße

BGH verhandelt Amazon-Apotheker-Streit APOTHEKE ADHOC, 29.09.2022 09:18 Uhr

Beim Bundesgerichtshof (BGH) wird heute verhandelt, ob Apotheken über Amazon Arzneimittel verkaufen dürfen und ob sich Mitbewerber gegeneinander verklagen können. Foto: Arno Kohlem
Berlin - 

Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) streiten heute drei Apotheker: Dr. Hermann Vogel jr. aus München hat seine beiden Kollegen Holger Neubert aus Blankenburg und Michael Spiegel aus Gräfenhainichen verklagt, weil diese apothekenpflichtige Arzneimittel über Amazon anbieten. In Karlsruhe muss auch die grundsätzliche Frage geklärt werden, ob solche Klagen unter Konkurrenten überhaupt zulässig sind.

Vogel gegen Neubert

Neubert betreibt mit seiner Bodfeld-Apotheke als Marktplatz-Verkäufer einen eigenen Händlershop bei Amazon. Aus Vogels Sicht verstößt er damit gegen das Arzneimittelgesetz (AMG), das Heilmittelwerbegesetzes (HWG), die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und die Berufsordnung der Apotheker, außerdem hat er datenschutzrechtliche Bedenken.

In erster Instanz hatte das Landgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Beim Vertrieb über Amazon handele es sich um eine Spielart des Versandhandels. Verstöße gegen AMG, HWG und ApBetrO oder die Berufsordnung lägen nicht vor. Und was etwaige Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) betrifft sei Vogel als Wettbewerber gar nicht klagebefugt.

Vogel ging in Berufung und hatte vor dem Oberlandesgericht Naumburg (OLG) mehr Erfolg. Demnach sei die DSGVO im konkreten Fall eine Marktverhaltensregelungen im Sinne Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Denn der Amazon-Apotheker verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden – ohne deren Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren von Vogel angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Beide Seiten haben Revision beim BGH eingelegt, ab 11 Uhr wird heute verhandelt.

Vogel gegen Spiegel

Auch Spiegel ist mit seiner Linden-Apotheke unter dem Verkäuferprofil „Aposparer“ bei Amazon vertreten, wogegen Vogel ebenfalls klagte. Das Landgericht Dessau/Roßlau erklärte in diesem Fall den Verkauf über die Plattform für unzulässig, sofern die Kund:innen nicht ausdrücklich eingewilligten, dass der Konzern die sensiblen Daten erhält. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über den Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften. Das OLG Naumburg hat die Spiegels Berufung zurückgewiesen – wiederum mit Verweis auf die wettbewerbsrechtliche Bedeutung der DSGVO. Auch Spiegel ist in Revision gegangen.

Bevor die Apothekerfälle besprochen werden, geht es in der zusammengezogenen Verhandlung noch um einen anderen Fall. Darin geht es um die Frage, ob Verbraucherzentralen unabhängig von betroffenen Nutzern gegen Facebook klagen können. Konkret ist das „App-Zentrum“ von Facebook betroffen, wo kostenlose Spiele von Drittanbietern präsentiert werden, bei denen Nutzer:innen zumindest in der Version von 2012 mit einem Klick auf „Sofort spielen“ automatisch der Übermittlung verschiedener Daten an den Spielebetreiber zugestimmt hätten. Bei einem Spiel endeten die entsprechenden Hinweise mit dem Satz: „Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten.“ Land- und Kammergericht Berlin hatten den Verbraucherschützern Recht gegeben.

Der BGH hatte das Verfahren im September 2020 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Luxemburger Richter:innen sollen einen Hinweis geben, ob die sich einerseits Mitbewerber und andererseits Verbänden, Einrichtungen und Kammern das Recht haben, wegen datenschutzrechtlicher Verstöße aktiv zu klagen, auch wenn sie selbst nicht betroffen sind.

EuGH entscheidet nur halb

Der EuGH ist in seiner Entscheidung aber nicht der Klagebefugnis eines Mitbewerbers eingegangen – weil es im Facebook-Streit darum nicht geht. Was die Klagebefugnis der Verbände betrifft, hat Luxemburg grünes Licht gegeben. Verbaucherschutzorganisationen können dem Urteil zufolge bei Datenschutzverstößen von Internet-Riesen anstelle der Nutzer vor Gericht ziehen – auch wenn sie keinen konkreten Auftrag von Betroffenen haben. Zur Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers im Streit der Apotheker äußerte sich der EuGH nicht.

Der BGH wird nun beide Verfahren fortsetzen. Mit einer Entscheidung ist heute nicht zu rechnen.