Nach anfänglichen Warnungen

Covid-19: Zweite Chance für Ibu? APOTHEKE ADHOC, 08.06.2020 11:05 Uhr

Erst Warnung, jetzt Hoffnung? Londoner Mediziner wollen dem Wirkstoff Ibuprofen eine Chance im Kampf geben Covid-19 geben. Foto: Danijela Maksimovic/shutterstock.com
Berlin - 

Zu Beginn der Corona-Pandemie machten sich Meldungen über mögliche schwere Verläufe durch den Wirkstoff Ibuprofen breit. Nun haben Londoner Forscher dem Wirkstoff jedoch eine zweite Chance gegeben – kann Ibuprofen doch helfen?

Trotz aller anfänglichen Widrigkeiten hat man sich in London Ibuprofen nun erneut angenommen. Mediziner verschiedener Krankenhäuser gehen davon aus, dass der Wirkstoff möglicherweise dazu beitragen könnte, eine Beatmung der Covid-Patienten zu verhindern. Der Nachrichtensender BBC hatte berichtet, dass die Hälfte der Probanden der „Liberate“-Studie nun 200 mg Ibuprofen zusätzlich zur üblichen Behandlung erhalten sollen, um herauszufinden, ob es doch positive Effekt es besitzt.

Ibuprofen rückt erneut in den Fokus

Es wird jedoch nicht das freiverkäufliche und handelsübliche Ibuprofen in Tablettenform verwendet, sondern sogenanntes „Lipid-Ibuprofen“, welches in Großbritannien bereits unter dem Handelsnamen Flarin zur Behandlung von Arthritis verwendet wird. In Deutschland ist ein solches Präparat nicht im Handel. Tierversuche zeigen bereits, dass es akute Atemnot durch Covid-19 lindern kann. Durch die spezielle Formulierung sollen zudem die Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt verringert sein. „Wir müssen diesen Versuch durchführen, um unsere Erwartungen zu untermauern. Wir glauben, beweisen zu können, dass das kostengünstige Medikament hilft, erklärte Prof. Mitul Mehta vom King‘s College London gegenüber BBC.

Doch der Einsatz von Ibuprofen hatte im Zusammenhang mit Covid-19 bereits für Aufsehen gesorgt: Mitte März wurde eine Sprachnachricht über WhatsApp verbreitet, in der eine Frau berichtet, dass die Einnahme des NSAID Ibuprofen zu schweren Verläufen von Covid-19 führen kann. Angeblich hätten Mediziner des Uniklinikums in Wien Forschungen angestellt, weshalb es in Italien zu den hohen Zahlen an schweren Verläufen gekommen ist. Das Ergebnis: Die hohe Sterblichkeit sei durch die Einnahme von Ibuprofen begünstigt worden. Diese Aussage war jedoch falsch – eine solche Analyse der Medikation lag seitens des Uniklinikums Wien nicht vor.

WHO zieht anfängliche Warnung zurück

Einige Tage später hatte sich dennoch auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Meldung angenommen: Obwohl die Datenlage noch unklar war, riet die WHO Menschen bei Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 davon ab, ohne ärztlichen Rat das Medikament Ibuprofen einzunehmen. Stattdessen sollte lieber auf den Wirkstoff Paracetamol zurückgegriffen werden.

Wieder einige Tage später zog sie ihre Warnung allerdings zurück: Die WHO-Experten hatten Studien und Ärzte konsultiert und seien zu dem Schluss gekommen, dass es über die bekannten Nebenwirkungen bei bestimmten Bevölkerungsgruppen hinaus keine Hinweise auf negative Ibuprofen-Konsequenzen bei Covid-19-Patienten gebe. „Auf der Basis der heute vorhandenen Informationen rät die WHO nicht von der Einnahme von Ibuprofen ab“, teilte die WHO damals mit. Laut Europäischer Arzneimittelagentur (EMA) besteht kein wissenschaftlich erwiesener Zusammenhang zwischen der Einnahme von Ibuprofen und einem schwereren Verlauf einer Corona-Erkrankung.

Auch eine generelle antipyretische Therapie als potenzielle Gefahr wurde diskutiert. Grundlage für diese Annahme waren einzelne Studien, die zeigten, dass Virus-Infektionen wie die Influenza unter der Einnahme von Ibuprofen länger anhalten. Probanden, die während der Grippe regelmäßig Ibuprofen zur Fiebersenkung einnahmen, waren im Schnitt zwei Tage länger krank als Personen aus der Vergleichsgruppe. Diese Studie beschäftigte sich allerdings nur mit Influenza A Viren – eine reine Übertragung auf Sars-CoV-2 ist nicht möglich. Andere Studien zeigten, dass nicht die Substanz selbst in Wechselwirkung mit den Erregern tritt, sondern der generell fiebersenkende Effekt zu schwereren Verläufen führen kann.