Rx-Boni

Bären-Apotheke: Werkzeugbox gegen Rezept Lothar Klein, 08.06.2017 10:07 Uhr aktualisiert am 10.06.2017 08:58 Uhr

Berlin - 

Seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober wachen die Kammern akribisch darüber, dass im Inland die Preisbindung für Arzneimittel hält. Trotz aller Appelle an die „Solidarität der Apotheker“ und damit verbundener Mahnungen gibt es Rx-Preisbrecher: Die Bären-Apotheke in Ratingen verspricht ihren Kunden als Gegenleistung für die Abgabe eines Rezeptes eine Werkzeugbox. Die Aktion läuft noch bis Ende Juni. Apotheker Wolfgang Wittig will sich nicht zur Werbeaktion äußern.

„Bärenstark gespart – Nutzen Sie unsere Coupons“, steht über der Anzeige im Ratinger Wochenblatt. Darunter „Gutschein im Juni: Eine Werkzeugbox: Gratis bei Abgabe eines Rezeptes bis zum 30.06.2017. So lange der Vorrat reicht. Pro Person nur ein Artikel u. Gutschein.“ Rechts daneben preist ein weiterer Coupon 20 Prozent Rabatt „auf ein Produkt ihrer Wahl“ an. Hiervon sind rezeptpflichtige Arzneimittel ausdrücklich ausgenommen.

Das Angebot der Werkzeugbox steht im Konflikt mit dem im August 2013 verschärften Heilmittelwerbegesetz (HWG). Danach sind auch geringwertige Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig, wenn sie gegen die Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verstoßen. Vorher waren nur Barrabatte verboten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bis zur Gesetzesänderung Wertgutscheine von bis zu einem Euro als „geringwertige Kleinigkeiten“ eingestuft und für wettbewerbsrechtlich unproblematisch erklärt. Da alle Boni trotzdem gegen das Berufsrecht der Apotheker verstießen, wollte die Regierung mit der Verschärfung im Jahr 2013 die „Einheitlichkeit der Rechtsordnung“ sicherstellen.

Noch im Januar hatte Wittig nicht nur Unterschriften für die ABDA-Kampgane gesammelt, sondern sich auch auf Facebook mit einer pfiffigen Aktion für das Rx-Versandverbot eingesetzt: „Das ist so, als ob der Europäische Gerichtshof entscheiden würde, dass ausländische Paketdienste sich in Deutschland nicht an die deutsche Geschwindigkeitsbegrenzung halten müssen“, zog Wittig auf Facebook einen eingängigen Vergleich. Die Lösung könne nicht sein, nun für alle die „Geschwindigkeitsbegrenzung“ aufzuheben. „Die bestehenden Gesetze und die Arzneimittelpreisverordnung dienen dem Schutz der wohnortnahen Versorgung und das rund um die Uhr auch im Nachtdienst – genauso wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf bestimmten Straßen dem Schutz der Verkehrsteilnehmer dient.“

Jetzt bleibt abzuwarten, wie die Apothekerkammer Nordrhein auf die Werbeaktion der Bären-Apotheke reagiert. Auch hier gibt es ein brisantes Detail: In ihren Prozessen gegen die Boni von DocMorris hatte sich die Kammer von Dr. Morton Douglas vertreten lassen – der Anwalt vertritt auch Wittig. Am Freitag teilte er mit, dass er die Sache nicht betreuen werde.

Kammer und Verband im Nachbarbezirk Westfalen Lippe hatten im April strenge Kontrollen gegen Preisbrecher gefordert: „Die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt in Deutschland nach wie vor uneingeschränkt. Jeden Versuch, sie auszuhöhlen oder gar abzuschaffen, lehnen wir klar ab. Die zuständigen Behörden fordern wir dazu auf, bei Verstößen gegen die Arzneimittelpreisverordnung konsequent einzugreifen“, hieß es in der Erklärung.

In Deutschland gibt es gut 20 Bären-Apotheken – die Mehrzahl davon in den Kammerbezirken Nordrhein und Westfalen-Lippe. Es ist nicht das erste Mal, dass der Verbund mit einer Werbeaktion aneckt: Ende 2013 erhielten Kunden in Bären-Apotheken Gutscheine für Geschenkpapier und Kuschelsocken. Diese konnten sie bei der Abgabe eines Rezeptes einlösen. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe forderte eine Unterlassungserklärung. Als eines von mehreren eingeschalteten Gerichten kassierte das VG Münster im „Kuschelsockenstreit“ die Werbegeschenke. Der Webshop Apomundo spendete 2014 für jedes eingelöste Rezept den gesamten Gewinn, mindestens aber 50 Cent. „Jedes eingesandte Rezept kommt unserem Partner World-Vision zugute“, hieß es.

Kürzlich landete auch ein anderer Apotheker vor Gericht, der seinen Kunden Wertgutscheine von 50 Cent für den Besuch seiner Apotheke gewährt hatte. In den Wir leben-Apotheken von Dirk Düvel erhielten die Kunden für jeden Besuch einen Wertgutschein in Höhe von 50 Cent. Diesen konnten sie später beim Kauf von OTC-Arzneimitteln oder Freiwahlprodukten einlösen. Eine Kollegin aus Winsen schickte einen Testkäufer und belegte damit, dass die Gutscheine auch bei der Rezepteinlösung herausgegeben wurden. Sie verklagte den Kollegen.

Das Landgericht Lüneburg hatte in erster Instanz allerdings keine Probleme mit dem Modell. Der Bonus wurde für zulässig erklärt, weil die Richter die Gutscheine offenbar mit geringwertigen Kleinigkeiten wie Papiertaschentüchern oder Hustenbonbons gleichgesetzt hatten. Das Gericht wies den Antrag der klagenden Apothekerin ab. Die Boni gibt es trotzdem aktuell nicht mehr.

Denn die Apothekerkammer Niedersachsen hatte das Modell in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde bereits verboten. Gegenüber Düvel wurde eine Untersagung ausgesprochen, nachdem zuvor eine Anhörung stattgefunden hatte. Das VG Lüneburg wies den Eilantrag des Apothekers gegen ein entsprechendes Verbot der Kammer zurück.

Seit dem EuGH-Urteil ist die Debatte um Rx-Boni neu entfacht: Während sich DocMorris & Co. nicht mehr an die Preisbindung halten müssen, gilt das Rabattverbot für hiesige Apotheken und Versender weiterhin. Eine Darmstädter Apotheke führt ein Verfahren um ihr Bonusmodell und will die Sache notfalls vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bringen. Das „Ofenkrusti-Verfahren“ liegt derzeit beim Oberlandesgericht Frankfurt (OLG).

Die Politik hat bislang keine Antwort auf die Ungleichbehandlung nach dem EuGH-Urteil gefunden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist mit seinem Vorschlag für ein Rx-Versandverbot im Kabinett vor allem am Widerstand der SPD gescheitert. Deren Vorschlag, begrenzte Boni auf Zeit für alle zuzulassen, will andererseits die Union nicht mittragen.

Da in dieser Legislaturperiode dem Anschein nach nichts mehr passieren wird, richtet die ABDA ihre Lobbyarbeit bereits auf die Zeit nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 aus. Ein Rx-Versandverbot bleibt weiter das Ziel der Apotheker.