Notfallkontrazeptiva

Dokumentationsgebühr für „Pille danach“ Alexander Müller, 09.07.2015 09:54 Uhr

Berlin - 

Die „Pille danach“ ist seit knapp vier Monaten freiverkäuflich erhältlich. Der Absatz ist seitdem um mehr als ein Drittel gestiegen. Da es sich bei Notfallkontrazeptiva rechtlich um OTC-Arzneimittel wie alle anderen handelt, werden die Apotheken für die – meist umfassendere – Beratung nicht eigens vergütet. Ein Apotheker aus Hessen lässt sich daher die aufwändige Dokumentation der Beratung bezahlen.

Mit dem OTC-Switch entstand in den Apotheken eine neue Beratungssituation. Verpflichtende Vorgaben für die Beratung gibt es zwar nicht, die Bundesapothekerkammer (BAK) hat aber einen Beratungsleitfaden entwickelt und diesen mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und den Ärzten abgestimmt. Die Verwendung der Check-Liste ist für Apotheken freiwillig. Dokumentationspflichten für die Abgabe der „Pille danach“ gibt es nicht.

Doch mit dem Wegfall der ärztlichen Untersuchung gibt es bei der Notfallkontrazeption schon einige Fragen, die im Beratungsgespräch geklärt werden sollen. Versicherungsmakler raten zudem zu einer Dokumentation, um sich gegen etwaige Schadensersatzklagen abzusichern. In der Praxis scheint die Beratung in der Apotheke gut zu funktionieren. Selbst bei sonst reißerisch präsentierten Testkäufen nach dem OTC-Switch schnitten die Apotheken diesmal gut ab. Der Beratungsleitfaden wird allgemein als nützlich und hilfreich bewertet.

Unstreitig entsteht in der Apotheke aber ein erheblicher Beratungsaufwand, wenn die Checkliste vollständig abgearbeitet wird. Apotheker Axel Desiere aus Alsbach-Hähnlein hat sich daher etwas überlegt. Er berechnet für die schriftliche Dokumentation der Beratung 11 Euro und kassiert diese zusätzlich zum Verkaufspreis. Bei diesem hält er sich an die Preisvorschläge des Herstellers.

„Die Beratung zum Arzneimittel ist im Preis immer integriert“, sagte Desiere. Dafür einen Extra-Obulus zu erheben, erschien dem Apotheker problematisch. Deshalb weist er seine Kundinnen vor dem eigentlich Beratungsgespräch auf die Dokumentation hin: Da die Einnahme der „Pille danach“eine ungewollte Schwangerschaft nicht zu 100 Prozent ausschließe, und sich hieraus weitreichende Folgen ergeben könnten, solle die sachgerechte Beratung vor der Arzneimittel-Abgabe dokumentiert werden.

Den Rechnungsbetrag könne die Kundin bei ihrer Krankenkasse einreichen, heißt es auf dem Informationsblatt. Desiere weißt seine Kundinnen allerdings auch darauf hin, dass sie keinen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten haben. Ob schon eine Kasse aus Kulanz gezahlt hat, oder ob überhaupt schon eine Kundin den Versuch unternommen hat, weiß der Apotheker nicht.

Mit der Dokumentationsgebühr hat er selbst bislang jedenfalls keine Probleme. In allen Fällen hätten die Kundinnen gezahlt – selbst als er eine Frau ohne „Pille danach“ zum Arzt geschickt hatte und von seiner Seite aus auf die Gebühr verzichten wollte. „Sie sagte, ich habe sie so gut beraten, dass sie dennoch zahlen wolle“, berichtet Desiere.

Desiere klärt zunächst ab, ob Beratung und Dokumentation überhaupt sinnvoll sind. Auf dem Dokumentationsbogen müssen die Kundinnen nicht nur die Gebühr akzeptieren, sondern auch bestätigen, dass der Geschlechtsverkehr nicht unter Zwang oder Gewaltanwendung erfolgte und daher beweissichernde Ermittlungen notwendig sind. Die Kundinnen müssen auch bestätigen, dass sie Art, Bedeutung und Tragweite sowie die Risiken der Einnahme des Medikamentes erfassen können.

Andere Apotheken machen sich weniger Aufwand und schlagen den Beratungsaufwand auf den freikalkulierbaren OTC-Preis auf. Dazu hatte indirekt auch die ABDA geraten: Ob oder in welchem Umfang die Apotheken ihre Leistung gegenfinanzieren, bleibe ihnen selbst überlassen. „Grundsätzlich kann das jeder in seiner OTC-Preisgestaltung abbilden“, so ABDA-Sprecher Dr. Reiner Kern kurz vor dem OTC-Switch.

Seit März ist der Absatz der Pille danach deutlich gestiegen – durchschnittlich um etwa 35 Prozent. Der Großteil entfällt auf das Präparat EllaOne mit dem Wirkstoff Ulipristal. Nach Packungen kommt das Produkt des Herstellers HRA Pharma auf rund 70 Prozent. Den Rest teilen sich die Levonorgestrel-haltigen Präparate. Hier hat wiederum HRA mit seinem Altoriginal PiDaNa deutlich die Nase vorn. Seltener abgegeben werden die Notfallkontrazeptiva von Gedeon Richter (Postinor), Hexal (Unofem) und Aristo Pharma (Levonoraristo).