Neue Konzentration

Neu: Methylrosaniliniumchlorid-Lösung 0,3 Prozent Alexandra Negt, 23.06.2020 07:43 Uhr

Neu: NRF 11.69. – Methylrosaniliniumchlorid-Lösung 0,3 Prozent. Foto: Arpon Pongkasetkam/ Shutterstock.com
Berlin - 

Die meisten Farbstofflösungen finden heute aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen keine Anwendung mehr. Immer noch im NRF vertreten ist eine Lösung mit Methylrosaniliniumchlorid. Die tief violette Zubereitung wurde um die in der Praxis gängige Konzentration 0,3 Prozent erweitert. Mit der ersten ergänzungslieferung in diesem Jahr wurde Methylrosaniliniumchlorid-Lösung 0,3 Prozent unter der Nummer NRF 11.69. aufgenommen.

Wässrige Methylrosaniliniumchlorid-Lösungen sind seit knapp 30 Jahren im NRF vorhanden. Die meisten weiteren Farbstofflösungen wurden mit der Zeit gestrichen, da sie entweder ein schlechtes Nutzen-Risiko-Potential aufwiesen oder in ihrer Grundsubstanz nicht in ausreichender Qualität bezogen werden konnten. Bislang enthielt die Vorschrift NRF 11.69. nur die Konzentrationen 0,1 und 0,5 Prozent. Nun wird eine neue Konzentration von 0,3 Prozent ergänzt.

Indikationen

Methylrosaniliniumchlorid wirkt bakteriostatisch und hemmt darüber hinaus das Wachstum von Hefen und Dermatophyten. Der intensiv violette Farbstoff ist insbesondere gegen grampositive Bakterien wirksam. Die antimikrobielle Wirkung steigt mit dem pH-Wert. Wässrige Methylrosaniliniumchlorid-Lösungen in den Konzentrationen 0,1, 0,3 und 0,5 Prozent werden bei Infektionen der Haut und Mundschleimhaut angewendet. Die NRF-Rezeptur wird beispielsweise bei atopischem Ekzem, Mischinfektionen im intertriginösen Bereich (Körperfalten, beispielsweise Achseln, unter der weiblichen Brustfalte) und oberflächlichen Candidosen verordnet. Bei Windeldermatitis findet nur die 0,1-prozentige Lösung Anwendung. Der Wirkstoff wirkt austrocknend und begünstigt somit die Schorfbildung. Gleichzeitig wirkt der Farbstoff juckreizlindernd.

Verwechslungen vermeiden

Methylrosaniliniumchlorid gehört zu den Triarylmethanfarbstoffen. Synonyme sind Gentianaviolett und Kristallviolett. Der Wirkstoff darf nicht mit Methylviolett verwechselt werden. Für Methylviolett (blaues Pyoktanin, Gentianaviolett B) existieren keine aktuellen Prüfvorschriften im Arzneibuch. Ältere Prüfvorschriften lassen zum Teil nur unzureichende Reinheitsprüfungen ausführen. Die Qualität eventuell erhältlicher Substanz ist laut NRF fragwürdig – Methylviolett-Vorschriften sind deshalb im NRF gestrichen worden. Verwechslungen müssen bei entsprechenden Verordnungen ausgeschlossen werden. Nur das Methylrosaniliniumchlorid darf rezepturmäßig verwendet werden.

Wundheilung wird gehemmt

Methylrosaniliniumchlorid hemmt wie alle kationischen Triarylmethanfarbstoffe die Wundheilung. Die Stärke des Effektes ist konzentrationsabhängig. Für den vorliegenden Wirkstoff ist dies bereits bei Konzentrationen unter 0,5 %Prozent zu beobachten. Werden die Konzentrationen noch höher gewählt, so kann es zu Nekrosen der Haut und Schleimhaut kommen. Verordnungen mit Lösungen über 0,5 Prozent dürfen demnach nicht hergestellt werden. Vor allem bei Kleinkindern haben bereits 0,3-prozentige Lösungen tiefe Erosionen und Nekrosen hervorgerufen. Liegt ein Rezept für ein Kind vor, so sollte auf das geburtsdatum geachetet werden. Mitunter ist Rücksprache mit dem Arzt zu halten, sodass die Zielkonzentration altersentsprechend angepasst werden kann. Bei Kleinkindern sollte nur die 0,1-prozentige Methylrosaniliniumchlorid-Lösung angewendet werden. Auf offenen Wunden soll die Lösung daher nicht angewendet werden. In Schwangerschaft und Stillzeit sind Methylrosaniliniumchlorid-Lösungen kontraindiziert. Aus dem Tierversuch liegen Hinweise auf eine mögliche Kanzerogenität vor.

Flecken in der Kleidung

Die Farbstofflösung führt zu Flecken in Geweben und auf Oberflächen. Kommt es in der Rezeptur zu Spritzern auf Baumwollkitteln, so können diese mit wässriger oder alkoholischer Salzsäure oder mit Seifenspiritus ausgereinigt werden. Kommt es zu Tropfen auf der Arbeitsfläche, so sollten diese zeitnah mit Zellstoff aufgenommen und ebenfalls mit verdünnter Salzsäure oder Seifenspiritus nachgereinigt werden. Einmal eingetrocknet bleibt der Fleck dauerhaft auf der Oberfläche. Gleiches gilt übrigens für Wirkstoffe wie Jod, Ethacridin-Lactat, Silbereiweiß, Fluorescein, Kaliumpermanganat und Steinkohlenteer. Sehr beständige Flecken sind mit 0,1-prozentiger Kaliumpermanganat-Lösung (ebenfalls violett) zu behandeln. Zuerst bildet sich erneut ein lila Fleck, später bildet sich auf chemischer Ebene Braunstein, der sich mit 10-prozentiger Natriumhydrogensulfit-Lösung beseitigen lässt. Nicht jedes Gewebe verträgt solch einen Chemikalieneinsatz – bei empfindlichen Materialien sollte deshalb zunächst die Beständigkeit an einer kleinen Stelle geprüft werden. Anschließend sind die Chemikalienrückstände auszuwaschen.

Rohstoff fehlt

Wenn Methylrosaniliniumchlorid als Reinsubstanz nicht lieferfähig ist, so kann auf eine bereits fertige Methylrosaniliniumchlorid-Lösung in höherer Konzentration zurückgegriffen werden. Diese kann dann durch den Zusatz von Wasser auf die gewünschte Konzentration herunter verdünnt werden. Methylrosaniliniumchlorid ist generell schlecht löslich in Wasser, deshalb wird der Arzneistoff unter Rühren und Erwärmen in gereinigtem Wasser gelöst. Bis zu einer Konzentration von 0,5 Prozent ist ein vollständiges Lösen des Feststoffes möglich. Ein bisschen kniffelig ist die Inprozessprüfung: Aufgrund der starken Färbung muss durch Schwenken und Neigen intensiv auf Bodenrückstände und unvollständig gelöste Teilchen geachtet werden.