Hypertonie

Blutdrucksenker: Besser abends als morgens? Cynthia Möthrath, 18.05.2020 15:29 Uhr

Die abendliche Einnahme von Blutdrucksenkern konnte in einer Studie gute Ergebnisse erzielen – dennoch sollte der Einnahmezeitpunkt nicht einfach umgestellt werden. Foto: Fire_dragon/shutterstock.com
Berlin - 

Der Einnahmezeitpunkt verschiedener Medikamente kann Einfluss auf die Wirksamkeit besitzen. So legen neuere Untersuchungen nahe, dass Blutdrucksenker abends eingenommen bessere Ergebnisse erzielen können. Bereits im vergangenen Jahr geriet das Thema in den Fokus. Nun hat sich auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mit der Einnahme beschäftigt.

Für manche Wirkstoffgruppen gibt es feste Einnahmeregeln: So sollten Medikamente gegen Bluthochdruck in der Regel immer morgens eingenommen werden – oder? Diese Art der Anwendung ist gängige Praxis. „Eine zusätzliche abendliche Gabe war lediglich für Patienten mit fehlender Nachtabsenkung oder therapieresistenter Hypertonie vorgesehen. So sollten die Einnahmetreue gefördert und die morgendlichen Blutdruckerhöhungen am wirkungsvollsten behandelt werden“, erläutert die AkdÄ.

Bessere Ergebnisse bei abendlicher Gabe

Doch nun zeigen Studien, dass die Einnahme vor dem Schlafengehen bessere Ergebnisse in Bezug auf den Blutdruck erzielen könnte. Bereits im vergangenen Jahr wurde eine spanische Studie vorgestellt, die nun auch die AkdÄ unter die Lupe genommen hat: Gut 19.000 Patienten wurden dabei in zwei Gruppen randomisiert und erhielten ihre Medikation entweder morgens nach dem Aufstehen oder abends vor dem Schlafengehen. Der Beobachtungszeitraum betrug durchschnittlich 6,3 Jahre. Der kombinierte primäre Endpunkt waren kardiovaskuläre Ereignisse wie kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, koronare Revaskularisation, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall.

Beim Einschluss und mindestens einmal im Jahr überprüften die Ärzte den Blutdruck der Patienten mit ambulanten Blutdruckmessgeräten. Diese wurden vom Studienteilnehmer über 48 Stunden am Körper getragen. „Die Patienten, die ihre antihypertensive Medikation vor dem Schlafengehen einnahmen, hatten adjustiert nach Alter, Diabetes mellitus, chronischer Nierenerkrankung, Rauchen, HDL-Cholesterin, mittlerem nächtlichen systolischen Blutdruck und Absinken des nächtlichen systolischen Blutdrucks nur das halbe Risiko den zusammengesetzten kardiovaskulären Endpunkt zu erreichen“, schreibt die AkdÄ.

Als mögliche Begründung für diese Verbesserung wird die deutlich niedrigere Einstellung nächtlicher Blutdruckwerte genannt. „Nur die Hälfte der Patienten mit morgendlicher Einnahme zeigte eine nächtliche Absenkung ihrer Blutdruckwerte verglichen mit fast zwei Drittel der Patienten mit nächtlicher Einnahme.“

Änderung der Routine?

Eine direkte Umstellung des Einnahmezeitpunktes soll gemäß der Forscher und auch der AkdÄ derzeit noch nicht erfolgen. Wie üblich in der medizinischen Wissenschaft müssten diese Beobachtungen durch weitere Studien bestätigt werden, erklärt die AkdÄ. Für 2020 werden jedoch bereits die Ergebnisse einer weiteren Studie aus dem Vereinigten Königreich erwartet.

Auch die Autoren der Studie lehnten die generalisierte Empfehlung einer Einnahme am Abend ab. Sie raten hingegen zu einer regelmäßigen Langzeit-Blutdruckmessung, um die wirkliche arterielle Hypertonie zu diagnostizieren. So würde sich der ideale Einnahmezeitpunkt am sichersten bestimmen lassen. Grundsätzlich ist der Blutdruck auch bei gesunden Menschen nicht konstant – er schwankt im Laufe des Tages kontinuierlich. Die niedrigsten Werte werden innerhalb der Tiefschlafphasen erreicht. Nach Zahlen der Deutschen Hochdruckliga leiden drei von vier Menschen im Alter zwischen 70 und 79 Jahren an Bluthochdruck. 88 Prozent der Betroffenen wissen von ihrer Erkrankung und drei Viertel sprechen ausreichend auf ihre Behandlung an und erzielen gute Blutdruckwerte.