Selbstdispensation

Steffens: Keine Denkverbote beim Notdienst APOTHEKE ADHOC, 05.02.2014 13:43 Uhr

Lösungen gesucht: NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hält das ärztliche Dispensierrecht für den falschen Weg. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Die Einlassungen von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) zur Selbstdispensation haben die ganze Branche überrascht. Denn weder Apothekern noch Ärzten sind aktuelle Vorstöße bekannt. Obwohl Steffens angeblich selbst dagegen ist, dass Mediziner Medikamente abgeben, baut sie gewaltigen Druck auf: Wenn die Apotheker nicht schnell Lösungen für eine bessere Notdienstversorgung finden, könnte ein beschränktes Dispensierrecht diskutiert werden.

Aus Sicht von Steffens ist das ärztliche Dispensierrecht „derzeit ein Thema“. Einer der Gründe dafür liege in den „wenig aussagekräftigen Andeutungen im Koalitionsvertrag“. Aus diesen hätten sich „Fragen zur Ausgestaltung des Apothekennotdienstes“ ergeben, so eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage.

Laut Koalitionsvertrag sollen Ärzte und Kliniken sich in der ambulanten Notfallversorgung besser abstimmen: „In eine solche Kooperation soll der Notdienst der Apotheken einbezogen werden“, heißt es.

Das könnte sich in der Praxis schwierig gestalten, denn zwischen den Systemen von Apothekern und Ärzte gibt es gravierende Unterschiede. So sind für die Organisation des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) laut Sozialgesetzbuch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zuständig. Der Apothekennotdienst wird von den Kammern organisiert, die diese Aufgabe von den Ländern beziehungsweise den zuständigen Behörden übertragen bekommen.

Aus diesem Grund sieht sich Steffens‘ Ministerium offenbar in der Pflicht. „Zudem erreichen unser Haus Beschwerden und Eingaben über die räumlichen Entfernungen von Notdienst-Arztpraxen und der nächsten Notdienst-Apotheke“, so die Sprecherin weiter. Viele Patienten thematisierten diese „Nahtstellen“ der ortsnahen Versorgung und forderten hierfür Lösungen.

Immer häufiger werde deshalb vorgeschlagen, Ärzten das Dispensierrecht zu geben. „Dies hält Ministerin Steffens, wie bereits betont, für den falschen Weg“, so die Sprecherin. Eine bessere Arzneimittelversorgung der Patienten insbesondere im ländlichen Raum sei auch ohne ärztliche Selbstdispensation möglich. Trotzdem müssten sich die Apotheker mit den Hintergründen der Forderung befassen.

2011 hatte Steffens das Dispensierrecht als Lösung für ländliche Gebiete selbst ins Gespräch gebracht. Einen Sinneswandel sieht das Ministerium allerdings nicht: Aufgrund der demographischen Entwicklung werde es spätestens ab 2030 in einigen Regionen keine Versorgungssicherheit mehr geben. Im Interesse der Bevölkerung müsse überlegt werden, welche Heilberufe vorhanden seien und welche Bedarfe existierten. Es müsse dann regionale und individuelle Lösungen geben.

„In dem Zusammenhang darf es dann keine Denkverbote geben“, so das Ministerium. Dazu gehöre, bezogen auf Ärzte und Apotheker, auch die praktische Überlegung, „ob zur Aufrechterhaltung der Versorgung Aufgaben aus dem jeweils anderen Bereich im Sinne einer Delegation wechselseitig wahrgenommen werden könnten“.

Steffens fordert die Apotheker außerdem auf, Lösungen für Patienten zu finden, die zwar die ärztliche Notfallpraxis aufsuchen können, nicht aber die notdiensthabende Apotheke. Denkbar sei beispielsweise, ein System zur Hausbelieferung zu entwickeln, das mit dem ärztlichen Notdienst abgestimmt sei.

Rechtlich müsse ein solcher „Bringdienst“ auf der Bundesebene verankert werden, heißt es aus dem Ministerium. Weil der Notdienstapotheker seine Apotheke nicht verlassen dürfe, müsste nach geltendem Recht für die Auslieferung ein „Zweitpharmazeut“ eingesetzt werden. Das würde jedoch „die Personalprobleme verschärfen, die mit ursächlich für die Veränderungen bei den Notdiensten waren“.