Kommentar

Lunapharm-Skandal: Rote Karte für Diana Golze Lothar Klein, 01.08.2018 15:05 Uhr

Berlin - 

In vielen Fällen stolpern Politiker nicht über den eigentlichen Kern eines Skandals. Der interne wie öffentliche Umgang damit zwingt sie schlussendlich zum Rücktritt. Es ist gut möglich, dass auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) dieses Schicksal ereilt. Jedenfalls bietet ihr Umgang mit der Affäre um den Brandenburger Pharmahändler genügend Anlass, an ihren politischen Führungsqualitäten zu zweifeln, kommentiert Lothar Klein.

Angefangen hat alles mit einem sechsminütigen Beitrag des ARD-Magazins Kontraste. Die Journalisten hatten sich auf die Spur eines in Griechenland seit Längerem Wellen schlagenden Arzneimittelskandals gesetzt. Ärzte, Krankenschwestern und Apotheker wurden verhaftet, weil sie in Verdacht stehen, aus Kliniken gestohlene Arzneimittel über Bulgarien unter anderem an Lunapharm nach Deutschland geliefert zu haben. Bewiesen ist noch nichts, einige Personen wurden inzwischen sogar wieder freigelassen.

Aber der angebliche Drahtzieher sitzt immer noch in Untersuchungshaft und will Shrimps statt Arzneimittel im Koffer nach Deutschland transportiert haben. Weil die mutmaßlich gestohlenen Zytostatika unsachgemäß zwischengelagert wurden, steht seit dem Kontraste-Bericht der Verdacht im Raum, viele Krebspatienten könnten unwirksame, nutzlose oder sogar schädliche Arzneimittel erhalten haben.

Aufgeschreckt durch diese Meldungen, schickte Ministerin Golze ihren sichtlich mit der Situation überforderten Abteilungsleiter in den Clinch mit den Medien: Statt vorsichtig zu agieren, widersprach er dem Kontraste-Bericht und stellte im Namen des Gesundheitsministeriums die zu diesem Zeitpunkt verwegene Behauptung auf, für die Patienten bestehe nach allen vorliegenden Informationen keine Gefährdung ihrer Gesundheit – Fehler Nummer eins.

Wenige Tage später musste sich Golze für die Fehlinformation entschuldigen. Klar wurde bald, dass sie als politisch Verantwortliche über weniger verlässliche Informationen verfügte als das ARD-Magazin und ganz offensichtlich weder ihr Ministerium noch die nachgelagerte Behörde zur Arzneimittelaufsicht (LAVG) im Griff hat. Dort herrschen offenbar merkwürdige Zustände: Warnungen aus den Häusern über zu geringe Personalstärke in der Arzneimittelaufsicht wurden offensichtlich über Jahre von der Leitung ignoriert. Man ließ die Sache schleifen. Schlimmer noch: Die Informationen über den Verdacht des Arzneimitteldiebstahls gelangten nach Angaben der Ministerin nicht bis zum Behördenleiter und bis zu ihr.

Oder vielleicht doch? Als Beobachter oder betroffener Patient weiß man nicht, was da schwerer wiegt. Hatten Golze und LAVG-Chef Detlev Mohr tatsächlich keine Ahnung von den Vorgängen in Griechenland, ist das genauso unverzeihlich wie der bewusste Versuch der Vertuschung.

Der zweite und noch schwerere Fehler im Umgang mit dem Lunapharm-Skandal waren die beiden Anzeigen gegen Mitarbeiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Wer schon über keine verlässlichen Informationen verfügt, kann nicht leichtfertig Mitarbeiter anzeigen und vom Dienst suspendieren. Bestechlichkeit im Amt, gerade in der Arzneimittelaufsicht, ist kein Kavaliersdelikt. Wer sich mit solchen Vorwürfen an den Pranger gestellt sieht, kann sich kaum wehren und ist womöglich sein ganzes Berufsleben beschädigt.

Jetzt stellen die Staatsanwälte nach nur wenigen Tagen fest, dass es keinen Anfangsverdacht gegen die beiden Mitarbeiter gibt. Sollten beide etwa nur als Bauernopfer dienen, um von der Verantwortung an höherer Stelle abzulenken? Der Versuch, sich als Opfer möglicherweise bestechlicher Mitarbeiter im Landesgesundheitsamt darzustellen und damit die politische Verantwortung von sich zu weisen, ist jetzt jedenfalls gescheitert.

Wie auch immer: Die Sorgfaltspflicht im Umgang mit Mitarbeitern wurde auf jeden Fall verletzt. Dafür ist Golze verantwortlich. Führungsqualität kann man so nicht unter Beweis stellen. Jetzt muss die Ministerin ein zweites Mal öffentlich zurückrudern. Auch wäre eine Entschuldigung bei ihren Mitarbeitern angebracht.

Was immer die weiteren Untersuchungen im Fall Lunapharm noch ergeben werden: Gesundheitsministerin Golze und LAVG-Chef Mohr haben sich für politische Führungsaufgaben disqualifiziert. Dass die AfD-Opposition bereits den Rücktritt von Golze fordert, gehört zum politischen Ritual. Die kleinere Regierungspartei Die Linke sollte sich aber gut überlegen, ob sie 2019 mit Diana Golze als Spitzenfrau in den Landtagswahlkampf ziehen will. Das könnte zur Belastung werden. Sie sollte ihr stattdessen die rote Karte zeigen.