Gesundheitsversorgung

Deutsche Bahn träumt vom Apothekenbus Lothar Klein, 23.06.2016 09:53 Uhr

Berlin - 

Vor drei Jahren schreckte die CDU die Apotheker mit Plänen für einen Apothekenbus auf. Dann sorgte DocMorris mit einem grünen Prototyp für Aufregung. Jetzt steigt mit der Deutschen Bahn (DB) ein ernstzunehmender Großkonzern in die Debatte ein: Mit neuen Medibussen will die DB-Tochter DB Regio die medizinische Versorgung ländlicher Regionen aufmischen. Nachgedacht wird beim ehemaligen Staatskonzern auch über einen Apothekenbus. „Da gibt es ebenfalls eine Lücke“, so Projektleiter Sven Kohoutek von DB Regio zu APOTHEKE ADHOC.

An den Start gegangen ist der neue Service „Gesundheitsmobilität“ in diesen Tagen bereits mit einem Prototyp des Medibusses für betriebliche Gesundheitsversorgung von Firmen auf dem Land. Und in Hessen arbeitet DB Regio bereits an einer Kooperation mit den dortigen Kassenärzten. „Manchmal muss der Arzt zum Patienten kommen. Dafür hat DB Regio Bus frühere Linienbusse zu vollausgestatteten mobilen Arztpraxen umgebaut“, heißt es. Die neuen Gesundheitsbusse könnten je nach Bedarf für die hausärztliche und betriebliche Gesundheitsversorgung sowie Informationsveranstaltungen zum Thema Gesundheit angemietet werden.

Darüber hinaus bietet DB Regio Bus auch eine „kleine agile Variante“ der mobilen Praxis an. Diese wird aktuell bereits für die Versorgung von Flüchtlingen im Herzogtum Lauenburg eingesetzt, ist aber auch für die anderen Einsatzbereiche ausgestattet. Außerdem verfüge DB Regio Bus über gut ausgebildetes Personal und moderne barrierefreie Kleinbusse, mit denen Patientenfahrten aller Art ohne medizinische Betreuung sicher und zuverlässig durchgeführt werden könnten.

Auch einen „Apothekenbus“ hat Kohoutek bereits ins Auge gefasst: „Es wäre gut, das Thema Medibus mit einem Apothekenbus zu kombinieren.“ Bei der Arzneimittelversorgung auf dem Land gebe es schließlich vergleichbare Probleme wie bei den Ärzten. Allerdings ist sich der Projektleiter nach ersten Kontakten mit der Apothekerschaft der Umsetzungsprobleme bewusst: „Rein rechtlich gibt es viele große Baustellen. Da müssen wir noch dicke Bretter bohren.“

Vorgestellt hat DB Regio das Projekt „Gesundheitsmobilität“ bereits im Bundesgesundheitsministerium (BMG). „Wir freuen uns über sehr großen Rückhalt von der Politik“, so Kohoutek. Trotzdem ist ihm klar, dass in den nächsten Jahren „keine 200 oder 300 Medibusse“ über das Land fahren werden. Aber nach Einschätzung der Bahn-Tochter mit ihren 4000 Bussen für den Regionalverkehr hat das Projekt erhebliches Potenzial angesichts der immer größeren Versorgungslücken auf dem Land. „Wir befördern Menschen“, so Kohoutek, „und bringen jetzt den Arzt zum Menschen.“

„Das grundlegende Ziel von DB Medibus ist es, den Menschen mit Beeinträchtigungen einen besseren Zugang zur medizinischen Infrastruktur zu ermöglichen. Damit reagiert DB Regio auf die Herausforderungen, die der demographische Wandel an unsere Gesellschaft stellt. Insbesondere älteren Menschen fällt beispielsweise in ländlichen Gebieten der Weg zum Arzt immer schwerer. Mit DB Medibus können wir helfen, die medizinische Grundversorgung aller Menschen zu stärken“, so die Bahn-Tochter.

Der Umbau eines Linienbusses zum Medibus hat immerhin 150.000 Euro gekostet. Derzeit kann das Fahrzeug für 400 Euro pro Tag gemietet werden. Ab dem sechsten Tag sinkt die Miete auf 300 Euro, ab dem elften Tag auf 200 Euro. Für einen Monat kostet der Medibus 3750 Euro. Die früher als Linienbusse genutzten Fahrzeuge wurden von DB Regio Bus zu vollausgestatteten mobilen Arztpraxen umgebaut – mit zwei Liegen und Wartezimmer.

Eingesetzt wurde der Bus bereits für betriebliche Gesundheitsuntersuchungen und Informationsveranstaltung in Werken des Konzerns in Nordrhein-Westfalen. Durchgeführt wurden die Maßnahmen von der Firma Heigel, die sich auf betriebliche Gesundheitsförderung spezialisiert hat.

Für hausärztliche Untersuchungen in ländlichen Gebieten mit medizinischer Unterversorgung will DB Regio mit der KV Hessen kooperieren. Demnächst soll ein Modellversuch anlaufen; derzeit werden laut Kohoutek unterversorgte Regionen ausgewählt. DB Regio Bus stellt den Medibus, die KV den oder die Ärzte.

Der Medibus stellt für DB Regio nur den Einstieg ins Geschäft mit mobiler Gesundheitsversorgung dar. „Das Zusammenspiel zwischen Medizin und Verkehr ist in Zukunft ein zentrales Thema im Gesundheitswesen“, ist Kohoutek überzeugt. Mit dem Fachbereich Gesundheit und Soziales der Hochschule Fresenius hat DB Regio Bus einen Partner gefunden, um weitere innovative Lösungen zu entwickeln. Ziel sei es, durch die Zusammenarbeit mobilitätseingeschränkten Personen insbesondere im höheren Alter die Berührungsängste mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu nehmen.