91 Prozent lehnen Modellprojekte ab

Ärzte: Apotheker nicht qualifiziert genug für Impfungen APOTHEKE ADHOC, 22.10.2021 11:22 Uhr

Wer andere impfen lässt, darf auch dispensieren: Einer aktuellen Umfrage zufolge ist die absolute Mehrheit der niedergelassenen Ärzte gegen impfende Apotheken – und kontert mit Forderungen nach dem Dispensierrecht. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die ärztlichen Standesvertretungen schießen weiter gegen die Modellprojekte zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken. Damit scheinen sie Haltung ihrer Mitglieder adäquat zu vertreten: Einer aktuellen Umfrage zufolge lehnt die übergroße Mehrheit der Ärzte Impfungen in Apotheken ab. Dafür spricht sich eine andere Mehrheit für ein erweitertes Dispensierrecht aus.

Die Mehrheit der Ärzte hält Apotheker für nicht qualifiziert genug, eine Grippeschutzimpfung durchzuführen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Ärztenachrichtendienstes hervor: 1094 Haus- und Fachärzte hatte der gefragt, wie sie zu Grippeimpfungen in Apotheken stehen. 91 Prozent gaben demnach an, dass sie die Idee kategorisch ablehnen. In einem Freitextfeld konnten sie sich zudem äußern, warum sie diese Meinung vertreten: Die Apotheker seien medizinisch nicht für diese Tätigkeit ausgebildet. Sie setze schließlich voraus, dass Indikationen und Kontraindikationen korrekt bewertet werden können, argumentieren die befragten Ärzte demnach mehrheitlich.

Apotheker seien im Extremfall auch nicht in der Lage, bei unerwartet auftretenden Komplikationen wie schweren allergischen Reaktionen medizinisch angemessen zu handeln. Das Impfen sei eine grundlegend ärztliche Aufgabe, so der Tenor laut Ärztenachrichtendienst. Was die Ärzte laut dem Nachrichtendienst nicht als Grund angaben: den möglichen Honorarverlust. Entweder ist das Impfen finanziell für die Ärzte nicht mehr relevant oder sie sind sich im Klaren, dass das Honorar als Argument gegen eine Übertragung der Aufgaben nicht taugt.

Die gerade einmal 9 Prozent der Befürworter weisen genau das zurück: Impfen sei „kein Hexenwerk“, heißt es da. Deshalb könnten auch andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen einbezogen werden, wenn es entsprechende Notfallpläne und den schnellen Draht zum Arzt gibt. Auch auf eines der Hauptargumente für die Erweiterung des Impfangebots geben die Ärzte wieder: In strukturschwachen Gegenden könnten impfende Apotheker die wenigen vorhandenen Ärzte unterstützen und zum Aufbau eines niederschwelligen Impfangebots beitragen. In anderen Ländern funktioniere das ebenfalls.

Auch wenn die absolute Mehrheit der Ärzte gegen Grippeschutzimpfungen in Apotheken ist, hat das nur eine kleine Minderheit in ihrem eigenen Umfeld bisher wahrgenommen. Nur 17 Prozent der befragten Ärzte gaben an, dass Ihnen schon eine oder mehrere Apotheken in der Umgebung bekannt seien, die den Kunden ein Impfangebot machten. Das ist auch kein Wunder, schließlich beschränkten sich die Modellprojekte bisher nur auf einige Modellregionen in der Oberpfalz, im Saarland, in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In letzterem wird das Angebot in der neuen Grippesaison jedoch noch weiter ausgebaut, nahezu in ganz Nordrhein-Westfalen können sich Versicherte dann in der Apotheke impfen lassen. Auch Rheinland-Pfalz kommt in dieser Grippesaison als Modellregion hinzu.

Die Befürchtungen bleiben, dass der Streit um impfende Apotheken neue Forderungen seitens der Ärzteschaft provozieren könnten – und die aktuelle Umfrage legt nahe, dass die berechtigt sind: Denn Verbände greifen bereits die Forderung nach einem erweiterten Dispensierrecht für Ärzte auf. Dies würde bedeuten, dass Ärzte beispielsweise Patienten im ambulanten Bereitschaftsdienst direkt eine erste Notfall-Medikation mitgeben könnten. Eine absolute Mehrheit von zwei Dritteln der niedergelassenen Ärzte wäre der Befragung zufolge für eine solche Regelung. 20 Prozent halten ein erweitertes Dispensierrecht nicht für nötig, 14 Prozent haben zu dem Thema noch keine Meinung.

Die Modellprojekte zu Grippeschutzimpfungen sorgen in den vergangenen Monaten regelmäßig für Streitigkeiten. Im Juli beispielsweise hatte der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz weiter eskaliert und gefordert, impfende Apotheken zu boykottieren. Dass Apotheken bereits nach einer kurzen Schulung impfen dürfen, sei „ein Schlag in das Gesicht eines jeden Einzelnen von uns, die wir uns durch sechs Jahre Studium und fünf Jahre Facharztweiterbildung gekämpft haben, bevor es uns erlaubt war, eigenverantwortlich auch nur eine einzige Impfung gegen Grippe zu applizieren“, erklärte Verbandschefin Dr. Barbara Römer. Zuvor hatten sich bereits Landesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung (KV) gegen Grippeimpfungen in Apotheken ausgesprochen, letztere sogar in Form einer Resolution.