Antidiarrhoika

Risiko Fungiämie: Keine Hefe bei Schwerkranken Eva Bahn, 20.01.2018 17:23 Uhr

Berlin - 

Zubereitungen, die Saccharomyces boulardii oder Saccharomyces cerevisiae enthalten, haben neue Kontraindikationen erhalten. Sie dürfen wegen der Ansteckungsgefahr nicht eingesetzt werden bei Schwerkranken oder Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Darauf wiesen die Hersteller am Samstag in einem Rote-Hand-Brief hin. 

Bei Patienten, die über einen zentralen Venenkatheter versorgt werden, waren Hefekapseln bereits kontraindiziert, nun kam zusätzlich die Gruppe der Schwerkranken und Immunsupprimierten dazu. Der Grund dafür ist die sehr selten aufgetretene schwerwiegende Nebenwirkung einer Fungiämie.

Bei einer Fungiämie infizieren Pilze das Blut des betroffenen Patienten, es kommt zur Sepsis. Der Nachweis einer solchen systemischen Infektion wird über eine Blutkultur geführt. Betroffene leiden unter mäßigen bis schweren grippeähnlichen Symptomen, die sich bis zum septischen Schock steigern können. Die bislang im Zusammenhang mit der Verabreichung von Hefepräparaten beobachteten Fälle konnten zwar in der Regel mit Antimykotika behandelt werden; außerdem musste der Katheder entfernt werden. Aber auch einige Todesfälle bei schwerkranken Patienten sind dokumentiert.

Daher wird empfohlen, bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auf die Gabe von Perenterol, Eubiol und Perocur zu verzichten. Bereits das Öffnen eines Pulverbriefchens in Anwesenheit der Patienten ist zu unterlassen. Um eine mögliche Kontamination über die Hände zu vermeiden, soll pflegendes Personal bei der Verabreichung dieser Probiotika Handschuhe tragen, die unmittelbar danach entsorgt werden.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bittet außerdem darum, jegliche Verdachtsfälle einer Nebenwirkung im Zusammenhang mit der Verabreichung von Saccharomyces boulardii zu melden – entweder direkt an die Behörde oder an die Hersteller Hexal, Medice oder CNP Pharma gerichtet.

Hefepräparate dienen der Behandlung akuter Diarrhoe bei Kindern ab sechs Monaten; bis zu einem Alter von zwei Jahren sollte die Therapie jedoch ärztlich überwacht werden. Die Hersteller hatten 2011 mit einer großen Rückrufwelle zu kämpfen: Es waren zu wenig lebensfähige Keime enthalten, Grund war das damalige Herstellungsverfahren: Bei der Wirbelschichttrocknung wurden die lebenden Hefestämme zu hohen Temperaturen ausgesetzt und zerstört.

Insgesamt haben Saccharomyces-Präparate einen Anteil von rund einem Viertel im Markt der Antidiarrhoika. Der überwiegende Teil entfällt auf Perenterol; das Präparat gehört dem französischen Hersteller Biocodex und wird seit 2012 in Deutschland von Medice vertrieben. Unter dem Motto „Raus aus dem Kühlschrank – Rein in die Sichtwahl!“ hatte Hexal 2015 Perocur zurückgebracht; im vergangenen Jahr folgte die hochdosierte Variante. GSK hatte dagegen Omniflora akut im Frühjahr 2016 vom Markt genommen.

Hefe ist aber kein Bestandteil der natürlichen Darmflora und kann keinen Aufbau leisten. Daher empfehlen einige Ärzte zusätzlich Probiotika. Arktibiotic Akut (Arktis Biopharma) vereint Saccharomyces mit drei Probiotika und kann bei Antibiotika-assoziierter Diarrhoe (AAD) eingesetzt werden.