OTC-Analgetika

Nurofen kommt als Pflaster Patrick Hollstein, 18.01.2017 18:34 Uhr

Berlin - 

Nurofen könnte es bald nicht nur als Fiebersaft, Zäpfchen sowie Kapsel, Film- und Schmelztablette geben, sondern auch als Pflaster zum Kleben. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht stimmte gestern für die Entlassung eines transdermalen therapeutischen Systems (TTS) mit Ibuprofen. Nun muss das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Empfehlung noch umsetzen.

Der Nurofen-Hersteller Reckitt Benckiser hatte beantragt, Ibuprofen zur transdermalen Anwendung aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Das Pflaster soll keinen weiteren Wirkstoff enthalten und eine Konzentration von 200 mg nicht überschreiten.

Ein TTS mit Ibuprofen wäre ein Novum. Bislang gibt es in der Selbstmedikation nur Pflaster mit Diclofenac (Voltaren, Humantis) sowie Wärmepflaster mit Cayennepfeffer-Extrakt.

Die Beladung mit größeren Mengen Wirkstoff war auch technologisch ein Problem: Die Pflaster lösten sich ab. Im vergangenen Jahr stellten Forscher der Universität Warwick eine Methode vor, um Ibuprofen in hohen Dosen mittels eines TTS zu applizieren: Ein transparentes Polymerpflaster kann hohe Mengen des Wirkstoffes aufnehmen und über mehrere Stunden konstant freisetzen.

Für die Behandlung akuter Schmerzen eignet sich das Pflaster allerdings nur bedingt. Pro Stunde werden maximal 100 mg Ibuprofen freigesetzt. Vorteile ergeben sich aber durch die konstante Wirkstoffzufuhr über den längeren Zeitraum. Die eigens gegründete Firma Medherance hatte sich damals auf die Suche nach Vertriebspartnern gemacht.

Ibuprofen ist derzeit in verschiedenen Varianten rezeptfrei: Bei oralen Formen zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen und Fieber kann eine Einzeldosis von bis zu 400 mg bei einer Tagesdosis von 1200 mg für die Selbstmedikation angeboten werden. Dieselbe Grenze gilt für den Einsatz bei Migräne. Als Zäpfchen können Präparate in beiden Indikationen 600 mg als Einzeldosis und 1800 mg als Tagesdosis vorgeben, entsprechend 10 beziehungsweise 30 mg/kg Körpergewicht.

Außerdem können flüssige Zubereitungen zur Anwendung bei leichten bis mäßig starken Schmerzen und Fieber für Erwachsene und Kinder ab sechs Monaten in Einzeldosen bis zu 10 mg/kg Körpergewicht und einer maximalen Tagesdosis von 1200 mg rezeptfrei abgegeben werden. Dazu kommen Präparate zum äußeren Gebrauch in einer Konzentration bis zu 5 Gewichtsprozenten. Diese Grenze musste nun auf 6 Prozent angehoben werden.

Jüngster Neuzugang war 2013 die Kombination von Ibuprofen mit Pseudoephedrin zur Behandlung der akuten Rhinosinusitis im Zusammenhang mit weiteren Erkältungssymptomen wie Fieber und Schmerzen. Auch hier gilt die Grenze von 400 mg pro Einzeldosis und 1200 mg pro Tag; vom Sympathomimetikum dürfen 60 beziehungsweise 180 mg gegeben werden. Wegen des Missbrauchspotentials ist die Packungsgröße beschränkt auf 720 mg Pseudoephedrin und 4800 mg Ibuprofen. Neben Boxagrippal (Boehringer) sind mittlerweile Präparate unter den Dachmarken Wick (P&G), Spalt (Pfizer) sowie von Ratiopharm und Hexal im Handel.

Der Siegeszug von Ibuprofen ist ungebrochen. Mit 49 Millionen Packungen und 292 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) kommt der 1969 erstmals eingeführte Wirkstoff mittlerweile auf einen Marktanteil von 51 beziehungsweise 46 Prozent. Zum Vergleich: 2010 hatte der Anteil noch bei 37 beziehungsweise 31 Prozent gelegen. Der durchschnittliche Packungspreis ist dabei nur um 8 Prozent von 5,51 auf 5,96 Euro gestiegen.

574 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr nach IMS Health mit OTC-Analgetika erzielt. Das entspricht einem Zuwachs von 3,9 Prozent. 107,5 Millionen Packungen wurden verkauft, 1,6 Prozent mehr als 2014. Damit ist der Markt nach Absatz zum ersten Mal seit Jahren wieder gewachsen – und zwar in der Offizin und nicht im Versandhandel.