Methadon in der Krebstherapie

Fahrlässige Tötung: Anzeige gegen Unbekannt Nadine Tröbitscher, 06.12.2017 12:45 Uhr

Berlin - 

Die Forschungsergebnisse zum Einsatz von Methadon in der Krebstherapie sorgten in diesem Jahr für Zündstoff und Diskussionen. Ein im August im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichter Artikel führt nun sogar zu einer Anzeige wegen fahrlässiger Tötung.

Professor Dr. Erich Miltner ist der ärztliche Direktor des Instituts für Rechtsmedizin in Ulm und hat das im Ärzteblatt geschilderte Fallbeispiel zur Anzeige gebracht. Der Artikel „Methadon in der Onkologie – Strohhalmfunktion ohne Evidenz“ beschrieb den Fall einer Patientin, die angeblich aufgrund der Therapie mit L-Polamidon (Levomethandon) verstarb. Außerdem wurden zwei Fallberichte mit lebensbedrohlichem Verlauf geschildert. Laut Miltners Recherchen ist jedoch eine erhebliche Medikamentenüberdosierung die Ursache für den Tod der Frau. Sollte es im geschilderten Fallbeispiel tatsächlich zu dem Todesfall gekommen sein, hätten sowohl der behandelnde Arzt als auch der Notfallmediziner einen Behandlungsfehler begangen.

Glaube man den Angaben des Fallbeispiels, wurde der Patientin im Rahmen der Behandlung das etwa Drei- bis Vierfache der Tageshöchstdosis und somit eine hochtoxische Dosis verabreicht, meldet die Sozietät Poppe, die der Arzt beauftragt hat. Zwar wurde die Betroffene nach dem Auftreten der Vergiftungssymptome auf einer Intensivstation behandelt und das Methadon abgesetzt, jedoch erhielt die Frau anstelle eines Antidots weiterhin ein anderes Opioid.

Nun liegt bei der Staatsanwaltschaft Hamburg eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachtes auf fahrlässige Tötung vor. Schließlich gehe sei bei dem geschilderten Fall keine erhöhte Gesundheitsgefahr von einer Methadon-Gabe im Rahmen einer Krebstherapie ausgegangen, vielmehr habe die falsche Behandlung zum Tod geführt. Zudem hätten Nachfragen bei den Autoren des Artikels zu keinen zusätzlichen Informationen geführt.

Der Einsatz von Methadon in der Krebstherapie ist nicht nur anhand des geschilderten Fallberichts umstritten. Dennoch habe der Artikel dazu geführt, dass sich Ärzte grundsätzlich scheuten, den Heroin-Ersatzstoff im Rahmen des Off-Label-Use einzusetzen.

Die am Institut für Rechtsmedizin in Ulm tätige Chemikerin Dr. Claudia Friesen hatte bereits 2013 ihre Forschungsergebnisse zum Einsatz von Methadon als Booster im Rahmen einer konventionellen Chemotherapie veröffentlicht. Das Forscherteam um Friesen hatte anhand von In-vitro- sowie Tierversuchen gezeigt, dass Methadon den Zelltod von Leukämiezellen auslösen kann. Die Arbeitsgruppe fand heraus, dass Methadon die Chemotherapie bei bösartigen Hirntumoren, den Glioblastomen, unterstützen kann und als Booster eingesetzt werden könnte. Denn die Tumorzellen bilden auf ihrer Oberfläche Opioid-Rezeptoren aus, an die das Methadon sich festsetzen kann.

Dockt der Wirkstoff an, öffnet die Zelle Kanäle für das Krebsmedikament, das dann in das Innere einströmen kann. Durch die vermehrte Expression von Oberflächenrezeptoren wird die Wirkung verstärkt, gesunde Zellen hingegen werden nicht angegriffen und bleiben unversehrt.

Nach der Veröffentlichung der Studienergebnisse war das Thema in Presse, Funk und Fernsehen präsent – jedoch nicht immer positiv. Das Thema stieß auf Gegenwehr von Ärzten, Apothekern und Fachverbänden. Kliniken sowie Verbände von Onkologen wie auch Palliativmedizinern rieten vom Off-label-Einsatz von Methadon in der Krebstherapie ab, da die Wirksamkeit nicht nachgewiesen sei, denn klinische Studien am Menschen fehlen. „Der unkontrollierte Einsatz weckt bei Patienten unrealistische Erwartungen, die sich nachteilig für die Patienten auswirken können“, hieß es. Ärzte weigerten sich, Methadon zu verschreiben.