Neurodegeneration

Demenzimpfstoff zur Vorbeugung und Behandlung? APOTHEKE ADHOC, 10.01.2020 07:35 Uhr

Das Institute for Molecular Medicine und die University of California forschen an einem Impfstoff gegen Alzheimer. Foto: Numstocker/shutterstock.com
Berlin - 

Ein neuartiger Impfstoff konnte im Tiermodell die mit Alzheimer verbundene Neurodegeneration verhindern. Doch auch gegen bereits bestehende Veränderungen im Gehirn soll er helfen können. Im nächsten Schritt soll die Vakzine am Menschen getestet werden.

Die Impfstoff-Studie wurde vom Institute for Molecular Medicine und der University of California, Irvine durchgeführt. Der getestete Impfstoff soll Antikörper gegen die Verklumpungen von Amyloid- und Tau-Proteinen erzeugen und diese somit verhindern. Tau-Proteine spielen eine wichtige Rolle für die gesunde, normale Funktion eines Gehirns. Alzheimer beginnt, wenn normale Tau-Proteine durch Trunkation pathologisch werden: Struktur und Funktion werden verändert. Die ungesunden Tau-Proteine binden sich aneinander und es entstehen Verklumpungen, die sich im Gehirn ausbreiten und die Krankheit verursachen. Die Verteilung dieser Klumpen zeigt eine starke Korrelation mit klinischen Symptomen bei Patienten.

Die Forscher konnten zeigen, dass der Impfstoff zu einer signifikanten Abnahme der Tau- und Amyloid-Akkumulation im Gehirn der Mäuse führte. Der Impfstoff kombiniert damit den Fokus auf zwei verschiedene Proteine: Viele bisher gescheiterte Alzheimer-Behandlungen der letzten Jahre konzentrierten sich einzeln auf die Reduktion von Amyloid- oder Tau-Proteinen. Neue Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass eine synergistische Beziehung zwischen den beiden toxischen Proteinen möglicherweise die Neurodegeneration vorantreibt. Daher könnte eine Kombinationstherapie der effektivste Weg sein, um diese Art von Demenz zu verhindern.

Um beide Proteinarten zu bekämpfen, wurden zwei Impfstoffe, die als AV-1959R und AV-1980R bezeichnet werden, kombiniert. Der Impfstoff besitzt zudem ein neuartiges Adjuvans: „Advax“ wurde von einem Team australischer Forscher entwickelt, um die Immunogenität des Impfstoffs zu verbessern. Die neue Formulierung biete das Potenzial, sowohl als vorbeugender Impfstoff gegen die Entwicklung von Neurodegeneration sowie auch als Heilmittel bei Patienten mit Verklumpungen der Tau- und Amyloid-Proteine. In den Tiermodellen konnten so die Entwicklung von Gedächtnisverlust verhindert werden, bevor es zu Proteinansammlungen kam. Bereits vorhandene Ansammlungen konnten jedoch auch verringert werden.

Derzeit sind mehrere Impfstoffe gegen Alzheimer in der Entwicklung: Im Oktober hatte das Biotech-Unternehmen Axon Neuroscience neue Ergebnisse der Phase-II-Studie für „AADvac1“ bekanntgegeben, den ersten Impfstoff seiner Klasse, der das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen soll. Axon untersuchte AADvac1 an 196 Patienten in acht europäischen Ländern über einen Zeitraum von 24 Monaten, um die krankheitsmodifizierende Wirkung des Impfstoffs zu belegen und die Gestaltung zukünftiger Bestätigungsstudien zu unterstützen.

Der Impfstoff nutzt das Immunsystem des Körpers, um spezifische Antikörper gegen „ungesundes Tau“ zu produzieren. In der Phase-II-Studie erwies sich die Behandlung als hochwirksam bei der Induktion einer Immunantwort: 98,2 Prozent der Patienten erzeugten Antikörper gegen pathologisches Tau. Der Impfstoff soll sowohl die Bildung von „ungesunden" Tauklumpen als auch die Ausbreitung der bereits gebildeten Klumpen bekämpfen. Viele andere Forschungsansätze beschäftigten sich bisher in erster Linie nur mit der Bekämpfung der bereits entstandenen Verklumpungen. Die Studien zeigten, dass AADvac1 zudem zwischen normalem und ungesundem Tau unterscheiden kann: Dadurch wird sichergestellt, dass nur das schädliche Tau gezielt angegriffen wird. Der Impfstoff soll die Alzheimer-Krankheit auch in ihren präsymptomatischen Stadien bekämpfen können, die bereits 10 bis 20 Jahre vor dem Auftreten der ersten klinischen Symptome beginnen.

Bei einer Demenzerkrankung werden nach und nach Nervenzellen im Gehirn zerstört, was zu einem Verlust der geistigen Fähigkeiten führt. Die Ursachen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Das macht eine gezielte Prävention von Demenzerkrankungen besonders schwierig. Einige Faktoren können jedoch das Risiko mindern, an Demenz zu erkranken: Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, niedrige Cholesterinspiegel und ein gut eingestellter Blutdruck sind Faktoren, die selbst beeinflusst werden können und eine gute Basis liefern, nicht an Demenz zu erkranken. Ein ganz natürlicher Vorgang ist hingegen die Abnahme der Fähigkeit zur Bildung neuer Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen mit zunehmendem Alter.