Syrienkrieg

Flüchtling sucht Praktikumsapotheke Maria Hendrischke, 05.08.2015 13:53 Uhr

Berlin - 

Workeer.de ist eine neu entwickelte Jobbörse im Internet speziell für Flüchtlinge. Unternehmer, die Migranten eine Arbeitsstelle anbieten wollen, können sich im Portal registrieren und dort ihre Stelle inserieren. Auch Asylsuchende können direkt ihre Kompetenzen anbieten. Mohammed Nasser, ein Apotheker aus Syrien, hat sich bereits eingetragen: Er möchte dringend Arbeitserfahrung in einer deutschen Apotheke sammeln. 

„Ich möchte in meinem Berufsfeld arbeiten“, sagt Nasser. Deswegen habe er sich bei workeer.de angemeldet. Der 27-Jährige hat fünf Jahre Biochemie in seiner Heimatstadt Aleppo im Norden Syriens studiert. Nachdem er kurzzeitig als Lehrer gearbeitet hatte, schloss er 2011 noch ein Studium der Pharmazie an. „Ich interessiere mich sehr für die Vorgänge im menschlichen Körper und ich möchte Menschen helfen. Daher wollte ich Apotheker werden“, erklärt Nasser.

Für sein Pharmaziestudium ging er nach Amman in Jordanien, da dort die Studiengebühren nicht so hoch gewesen seien wie in seinem Heimatland. Von seinem Erststudium konnte er sich viele Kurse anrechnen lassen, sodass er bereits nach drei Jahren Studium 2014 seinen Abschluss machen konnte. Damit wollte er zurück nach Hause: Der Apothekerberuf sei in Syrien höchst anerkannt; Pharmazeuten verdienten gut. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte der Krieg die Region bereits erfasst. „Wäre ich zurückgegangen, hätte ich kämpfen müssen: entweder für die eine oder die andere Seite. Aber ich will nicht töten.“

Er blieb in Amman. Doch nach Jordanien hatten sich schon sehr viele Syrer geflüchtet; Nasser bekam keine Arbeitserlaubnis. Während seines Studiums hatte er in einer jordanischen Apotheke ein Praktikum gemacht; dort arbeitete er nach seinem Abschluss schwarz weiter. Er bekam dafür weniger Geld, als ihm zugestanden hätte.

Schließlich entschloss sich Nasser, Jordanien zu verlassen, um endlich richtig arbeiten zu können. „Ich ging ins US-Konsulat und bat um Asyl. Mein Antrag wurde aber abgelehnt“, berichtet Nasser. Das Gleiche geschah in den Botschaften von Kanada, Australien und Italien. Also floh er in die Türkei. Über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich schlug er sich bis nach Deutschland durch.

Seit fünf Monaten lebt er im Flüchtlingsheim im thüringischen Gerstungen. Auf seinen Asylantrag hat er bislang noch keine Antwort erhalten, aber er ist zuversichtlich: „Meinem Bruder wurde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt“, berichtet Nasser. „Er ist auch Apotheker und in Saarbrücken untergekommen.“

Seine übrigen Familienmitglieder sind noch in Aleppo. „Dort ist es gerade sehr gefährlich“, sagt Nasser über die umkämpfte Stadt. Kürzlich habe es zudem 30 Tage lang kein fließend Wasser gegeben, berichteten seine Angehörigen über WhatsApp. „Wir versuchen, alle zwei bis drei Tage zu schreiben“, erzählt Nasser. Die Internetverbindung sei schlecht, aber die einzige Möglichkeit, überhaupt Kontakt zu halten.

Seit er 2011 nach Jordanien ging, hat Nasser seine Familie nicht mehr sehen können. Sie in Syrien zu besuchen, sei zu riskant gewesen. Als er sein Pharmaziestudium begann, hätte er nie damit gerechnet, dass es seinem Land so ergehen könnte. Damals hätte sich ein Krieg nicht angedeutet, sagt er. „Nun ist es ganz anders. Alles ist zerbombt“, sagt Nasser. Er hofft, dass sich die Situation in Syrien wieder entspannen wird.

Nasser hat sich informiert, wie er die deutsche Approbation erlangen kann. „Mir wurde gesagt, dass ich noch etwa ein Jahr in Deutschland Berufserfahrung sammeln und dann meine Abschlusspapiere vorlegen muss“, sagt er. Außerdem müsse er Deutsch auf C1-Niveau sprechen können – derzeit schätzt er sich selbst noch auf dem Niveau A1 ein.

„In Suhl hatte ich einen Monat lang einen Deutschlehrer. Über eine Facebookgruppe hält er Kontakt zu mir und anderen Schülern“, berichtet Nasser. Unterricht habe er inzwischen nicht mehr, er lerne aber mit einem Übungsbuch selbstständig weiter. Zudem trainiere er sein Hörverstehen mit Fernsehsendungen und unterhalte sich mit deutschen Freunden.

Nasser hofft, über workeer.de zunächst ein Praktikum in einer Apotheke zu finden, vielleicht auch einen Job. Dafür würde er in jeden Teil Deutschlands umziehen.

Die Plattform richtet sich an Flüchtlinge und Arbeitgeber. Die Migranten können sich in einem kurzen Steckbrief mit Lebenslauf vorstellen, ihre Sprachkenntnisse aufführen und einen Berufswunsch angeben. Die Arbeitgeber wiederum können eine Stelle eintragen, die sie mit Flüchtlingen besetzen wollen. In der Stellenbeschreibung soll neben der Art der Tätigkeit auch Stundenzahl, Bezahlung, Einsatzort und die geforderten Sprachkenntnisse eingetragen werden.

Die Idee zur Berufsbörse stammt von zwei Kommunikationsdesign-Studenten der HTW Berlin, die das Projekt im Rahmen ihrer Bachelorarbeit umgesetzt haben. Dass schon die Beta-Version ihrer Webseite so erfolgreich sein würde, hatten David Jacob und Philipp Kühn nicht erwartet: Mehr als 180 Flüchtlinge haben bereits ein Profil angelegt. Von den Arbeitgebern werden mittlerweile mehr als 200 Jobs angeboten; für einen Pharmazeuten ist jedoch noch nichts dabei.