Medikamenten-Tafel

OTC zum halben Preis Katharina Lübke, 09.08.2014 09:24 Uhr

Billige Medikamente: Carsten Brassert, Dr. Anke Lochmann, Andreas Niessner (Bündnis für Familie), Dr. Nicole Thiedemann (Zentrum für Zahngesundheit Ruhr), Anna Burmester (Hubertus Apotheke) (2. Reihe, von links), Nilüfer Kunter (Stifts-Apotheke), Rosemarie vom Orde (Fröndenberger Tafel) und Birgit Mescher (1. Reihe, von links) starteten ein Hilfsprojekt für Bedürftige. Foto: Peter Benedickt
Berlin - 

Für Arzneimittel müssen Patienten teilweise tief in die Tasche greifen. Gerade verschreibungsfreie Präparate könne sich Bedürftige kaum leisten. Im nordrhein-westfälischen Fröndenberg bekommen sie deshalb Medikamente zum halben Preis. Das lokale „Bündnis für Familie“ hat gemeinsam mit der Tafel und den vier ortsansässigen Apotheken im Mai ein entsprechenes Hilfsprojekt gestartet.

Birgit Mescher, Gleichstellungsbeauftragte vom Bündnis, hatte einen Fernsehbericht über die hohen Arzneimittelkosten in Deutschland gesehen und anschließend das Projekt initiert. „Medikamente setzen schließlich bei den existentiellen Bedürfnissen der Menschen an“, sagt sie. Gespart werde häufig bei der Ernährung und der Gesundheit.

Rund 20.000 Einwohner hat Fröndenberg, rund 100 davon haben einen Tafelausweis. Gesundheitsfürsorge durch nicht verschreibungspflichtige Medikamente können sich laut Mescher viele von ihnen nicht leisten. Wie im nahe gelegenen Dülmen, wo es seit längerem eine Medikamententafel gibt, nutzten deshalb 10 bis 15 Prozent das neue Angebot.

Nach Vorlage ihres Tafelausweises können sich die Betroffenen von ihrem Arzt ein grünes Rezept ausstellen lassen. In der Apotheke zahlen sie damit nur die Hälfte. Das Rezept verbleibt zur Abrechnung in den Apotheken. Die stellen eine Rechnung über die andere Hälfte an das lokale Bündnis, die ein eigenes Konto eingerichtet hat. Diese Hälfte übernehmen Sponsoren. „Wir haben Firmen im Ort angeschrieben. Der Rücklauf war groß.“

Acht Unterstützer fanden sich bislang, darunter zwei Zahnarztpraxen, die Stadtwerke, die Volksbank, der Lions Club Caelestia Schwerte, der Bürgermeister und zwei weitere Privatpersonen. Alle vier Apotheken von Fröndenberg beteiligen sich am Projekt. „Das geht nur wenn alle Apotheken an einem Strang ziehen“, sagt Mescher.

Eine Medikamentenliste hätten die Apotheken nach dem Modell des Dülmener Vorreiters erstellt. Rund 70 Präparate stehen auf der Liste: „Typische Selbstmedikation. Alles was ärztlich indiziert ist“, sagt Apothekerin Claudia Pöstges von der Stiftapotheke: darunter Schmerz- und Erkältungsmittel, Schleimlöser, Antiallergika, Präparate für Diabetiker, Mittel für Magen-Darm-Erkrankungen, zur Hautpflege, zur Behandlung von Schürfwunden, gegen Kopfläuse, Herpers, Hautpilz oder Verstopfung. Ausgeschlossen seien Lifestyleprodukte wie auch Schlafmittel.

„In den Sommermonaten wird das Angebot noch nicht so stark in Anspruch genommen“, sagt Pöstges. „Bis jetzt kamen die Leute eher vereinzelt.“ In der Marktapotheke seien in den ersten acht Wochen rund zehn Medikamente an Tafelkunden abgegeben worden, sagt Apothekerin Dr. Anke Lochman. Am häufigsten nachgefragt würden bislang Mittel gegen Halsschmerzen und Allergien.

Bei den Tafelkunden spiele auch Scham eine Rolle. „Manche haben sich den Schein nur für die Medikamente geholt“, sagt Mescher. Rund 20 Leute, vor allem ältere, gepflegte Senioren, hätten eine große Hemmung, einen Tafelausweis zu beantragen, „sich zu outen“.

Die meisten Tafelnutzer seien zwischen 50 und 70 Jahre alt. „Die sagen, essensmäßig kriegen wir das hin. Dann gibt es eben ein paar Tage nur Weißkohl.“ Medikamente seien aber eine existenzielle Sache.