Zyto-Skandal

Der Informant, dem niemand glaubte APOTHEKE ADHOC/dpa, 09.05.2018 15:13 Uhr aktualisiert am 09.05.2018 16:50 Uhr

Berlin - 

Hätte der Zyto-Skandal von Bottrop früher entdeckt werden können? Bereits 2013 ging bei der Polizei eine Anzeige gegen Apotheker Peter S. ein. Doch die Ermittlungen wurden eingestellt. Im Prozess brach der damalige Informant heute vor dem Landgericht Essen in Tränen aus.

Ralf U. ist der Ex-Mann einer Mitarbeiterin der Alten Apotheke. Sie habe ihm seinerzeit erzählt, S. sei morgens vor allen in die Apotheke gegangen und habe Rückläufer, die eigentlich hätten vernichtet werden müssen, neu etikettiert. Außerdem habe sie ihm die Zustände im Sterillabor geschildert, wie das Recherchenetzwerk Correctiv aus der Verhandlung berichtet: „‚Er hat gearbeitet. Es war katastrophal. Ich möchte mit dem nicht in einem Labor arbeiten‘“, soll seine Ex-Frau gesagt haben.

U. selbst hatte zu jener Zeit Probleme mit der Justiz, saß 2013 laut einem Bericht der „Zeit“ aus dem vergangenen November im Gefängnis. Aus der Haft schrieb er mehrere Briefe an die Finanzbehörden und die Staatsanwaltschaft, berichtete von schwarz abgerechneten Überstunden und schließlich auch von unterdosierten Zytostatika.

Nach seiner Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung wurde U. von zwei Polizeibeamten vernommen. Für ihn seien sie sehr abweisend gewesen, wird U. von Correctiv zitiert. Ein Beamter habe ihm erzählt, er sei im Schützenverein mit S. – und dass alles gar nicht sein könne.

Der Richter wollte laut Correctiv auf Antrag der Nebenklage den Zeugen zu seiner Aussage bei der Polizei befragen und ihm dazu das alte Protokoll vorlesen. Doch die Verteidiger intervenierten mit Erfolg. Unter Tränen sagte U. laut Correctiv im Bezug auf eine Betroffene: „Es tut mir leid, dass ich das nicht ändern konnte.“

Im Oktober 2014, so berichtete die „Zeit“, wurden die Ermittlungen eingestellt. Die Ermittler hatten weiter nachgehakt, die Ex-Frau gefragt, die widersprach. Auch S. ließ seine Anwälte laut „Zeit“ übermitteln, wie ungeheuerlich er die Anschuldigungen fand. Erst 2016 brachten Martin Porwoll, kaufmännischer Leiter der Apotheke, und PTA Marie Klein die Ermittlungen ins Rollen, die schließlich zur Festnahme und zum Prozess führten.

Vor Gericht ging es auch um die Schwarzzahlungen: 1900 Euro habe seine Ex-Frau laut Gehaltszettel erhalten, tatsächlich seien es 4000 bis 6000 Euro monatlich gewesen. Einen großen Teil davon habe sie bar erhalten. Nach der Übernahme der Alten Apotheke durch S. seien die schwarz gezahlten Gelder immer mehr geworden. U. berichtete, seine Ex-Frau habe auch in der Privatwohnung der Eltern Umschläge mit Extrazahlungen von der Mutter erhalten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen auch gegen die Eltern wegen Beihilfe zu den Taten.

Es werde geprüft, ob die Mutter des Bottroper Apothekers sich an Abrechnungsbetrügereien ihres Sohnes beteiligt habe, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen. Außerdem werde gegen Mutter und Vater des Angeklagten ermittelt, weil im Keller des Apothekenhauses größere Mengen Medikamente ohne die dafür nötige Genehmigung gelagert worden seien. Der Kellerraum gehöre nicht zur Apotheke, das Nutzungsrecht hätten die Eltern gehabt. Die Ermittlungen gegen die Eltern stünden allerdings noch ganz am Anfang, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der Prozess gegen S. wird am 16. Mai fortgesetzt.