Urteil: Ärzte greifen Teleclinic an 11.07.2025 11:52 Uhr
Schwere Breitseite für Teleclinic: Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat ihre Mitglieder über ein Urteil des Sozialgerichts München (SG) informiert. Demnach wird der Aktionsradius der DocMorris-Tochter im Zusammenhang mit Videosprechstunden deutlich eingeschränkt.
Das Sozialgericht München hat laut KV am 29. April entschieden, dass das Angebot von Teleclinic einschließlich ihrer Werbung in wesentlichen Teilen rechtswidrig ist, soweit die Videosprechstunden in der vertragsärztlichen Versorgung stattfinden. Außerdem wurden bestimmte Vorgehensweisen verboten; allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Der Vorstand der KVB – Dr. Christian Pfeiffer, Dr. Peter Heinz und Dr. Claudia Ritter-Rupp – erklärte dazu: „Das Urteil des Sozialgerichts München ist ein wichtiger Schritt zum Erhalt der Rechtssicherheit in der Telemedizin. Wir begrüßen, dass der vertragsarztrechtliche Rahmen gestärkt wird und setzen uns weiterhin für eine transparente und patientenorientierte telemedizinische Versorgung ein. Kommerzielle Telemedizinanbieter können an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, wenn sie die geltenden Regelungen beachten.“
Das Sozialgericht München hat laut KV mehrere wesentliche Verbote und Untersagungen ausgesprochen:
- Patientenakte und Dokumentation: Teleclinic darf den Ärztinnen und Ärzten keine eigene Patientenakte zur Dokumentation zur Verfügung stellen.
- Registrierungspflicht: Teleclinic darf kein Dienstleistungsangebot bewerben oder betreiben, das eine zwingende Registrierungspflicht für Patienten vorsieht.
- Freie Arztwahl: Teleclinic darf keine Dienstleistungsangebote bewerben oder betreiben, ohne die zur Verfügung stehenden Ärztinnen und Ärzte sichtbar und auswählbar für den Patienten zu machen. Die freie Arztwahl und das Verbot der willkürlichen Ablehnung der Behandlung von Patienten müssen gewahrt bleiben.
- Symptomschilderung und Datenschutz: Teleclinic darf erhobene Daten aus der Symptomschilderung des Patienten nur an den Arzt weiterleiten, wenn der Patient nach Beginn der Videosprechstunde ausdrücklich zustimmt.
- Medizinische Vorprüfung: Teleclinic darf online aufrufbare Fragebögen zu gesundheitlichen Beschwerden nicht medizinisch vorprüfen.
- Nutzungsentgelt: Teleclinic darf kein Nutzungsentgelt von teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten fordern, das ausschließlich auf abgerechnete vertragsärztliche Leistungen abstellt.
- Abrechnungsziffern: Teleclinic darf keine Abrechnungsziffern der Ärzte speichern.
Auch die Nutzungsbedingungen für Ärzte und Versicherte sind laut KV in Teilen rechtswidrig. Insbesondere dürften Ärztinnen und Ärzte nicht willkürlich die Behandlung von Patienten ablehnen. Versicherte dürften nicht ohne Grund von der Plattform ausgeschlossen werden, und es dürfe keine Gebühr für die Nutzung durch Versicherte eingeführt werden. Mehrere Werbeaussagen der TeleClinic wurden ebenfalls als rechtswidrig eingestuft.
Die KVB empfiehlt allen Vertragsärztinnen und Vertragsärzten dringend, bei der Nutzung von Videodienstanbietern auf die Korrektheit der Inhalte zu achten, die ihre berufs- und vertragsarztrechtlichen Pflichten betreffen.
DocMorris, damals noch Zur Rose, hatte Teleclinic 2020 übernommen; 46,8 Millionen Franken zahlte der Konzern – 41,5 Millionen Franken in bar, den Rest in Aktien. Zwei Jahre später wurden 35 Millionen Franken vom Firmenwert abgeschrieben. Teleclinic schreibt seit Jahren rote Zahlen; zuletzt hatte sich ein Verlustvortrag von 42 Millionen Euro aufsummiert.
Der Umsatz lag zuletzt bei 11 Millionen Euro, das Betriebsergebnis (Ebitda) bei 3 Millionen Franken. Bei der Hauptversammlung wurde Investoren in Aussicht gestellt, dass man hier strategisch sehr gut aufgestellt sei. Angesichts steigender Nachfrage seitens Patienten, Ärzten und strategischer Partner gehe man von einem „starken Umsatz- und noch stärkeren Ertragswachstum“ für die kommenden Jahre aus, so das Management des Mutterkonzerns. Unter anderem kooperiert Teleclinic mit der TK, aber auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen.