Pharma-Marketing

Fast niemand googelt Aspirin Alexander Müller, 23.03.2016 15:12 Uhr

Berlin - 

Kranke Menschen sprechen nicht nur in der Apotheke vor, immer öfter suchen sie zunächst Hilfe im Internet. Allerdings geben die meisten nicht den Markennamen eines Produkts in der Suchmaschine ein, sondern das Ergebnis ihrer Eigendiagnose. Deswegen rät Tino Niggemeier, Chef der Marketing-Agentur Xeomed, Herstellern zu einer neuen Kommunikationsstrategie – einer Art Akut-Marketing. Bei der Digitalkonferenz VISION.A verriet er, wie man Patienten am besten abholt und wann.

Niggemeier zufolge wird der Begriff „Schmerzen“ etwa zehnmal so häufig gesucht wie der Name des wohl bekanntesten Schmerzmittels „Aspirin“. Und Suchmaschinen seien die erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen im Netz: 76 Prozent der Patienten „googeln“ laut Niggemeier ihre Befinden oder ihre Beschwerden zunächst.

Mit Zahlen von Google verdeutliche der Xeomed-Chef bei VISION.A die Bedeutung der Suchmaschinen: Durchschnittlich 430.000 Anfragen monatlich gibt es demnach zu Erkältung, Grippe oder grippaler Infekt – mit deutlichen Spitzen in der Hauptsaison. Zu Schmerzen sind es sogar 1,3 Millionen Anfragen und immer noch 98.000 zu dem eher speziellen Thema Wundbehandlung.

Der große Vorteil beim Online-Marketing ist Niggemeier zufolge der „Moment of need“: Der Patient kann genau zu dem Zeitpunkt über ein Produkt informiert werden, wenn er es benötigt. „Besser kann Ihr Timing gar nicht sein“, rät er den Marketingstrategen der Branche. Wichtig ist dem Xeomed-Chef zufolge dabei aber, kranke Menschen nicht als erstes mit einer Kaufempfehlung zu behelligen: Hersteller müssten sich stattdessen auf den Patienten und seine Bedürfnisse fokussieren.

Pharmahersteller sollten laut Niggemeier daher auf eigenen Homepages zu Indikationen zunächst die drängenden Fragen des Patienten beantworten: Was habe ich? Was bedeutet das für mich? „Beantworten Sie ihm weitere Fragen zu seiner Erkrankung, bevor er sie gestellt hat“, rät Niggemeier. Wenn sich der Patient informiert fühle, gelange er automatisch zu der Frage: Was hilft dagegen? Das ist laut dem Xeomed-Chef der ideale Moment für die Produktempfehlung.

Bei der Beratung der Hersteller ist es für Xeomed die größte Herausforderung, die Blickrichtung der Unternehmen im Marketing zu verändern: weg vom Produkt, hin zur Zielgruppe. Grundsätzlich könne auch ein Hersteller unabhängig beraten, wenn das Vertrauen aufgebaut wird, etwa durch zusätzliche Empfehlung von Hausmitteln.

Apotheken müssen Niggemeier zufolge übrigens keine Angst haben, dass derart umfassend informierte Patienten dann auch sofort online ihre Arzneimittel bestellten. Studien zeigten, dass bis zu 85 Prozent der Internetnutzer nach der Onlinerecherche in der Offizinapotheke einkauften. Der Vorteil: In der Apotheke um die Ecke seien die Produkte schnell verfügbar. Außerdem gebe es häufig noch Bedarf an ergänzender Beratung.

Niggemeier optimiert mit Xeomed nicht nur die Websites der Hersteller und bucht Anzeigen bei Google. Eine Fachredaktion erstellt außerdem im Auftrag von Herstellern Inhalte zu Gesundheitsthemen. Xeomed arbeitet dabei auch mit Betreibern von Gesundheitsportalen zusammen; zu den Kunden gehören Medice, Pohl-Boskamp, Hermes, Harras, Trommsdorf, Astellas, Nutricia und Riemser.